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Der Tag an dem ich erwachte

Der Tag an dem ich erwachte

Titel: Der Tag an dem ich erwachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilia Miller
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gespannt. „Sag es mir, trau dich! Denk daran, dass du in Sicherheit bist, es kann dir nichts mehr passieren!“
    „Weil ich dieses Haus nie verlassen habe. Greg hat dafür gesorgt, dass alles, was ich brauchte, hierher geliefert wurde. Beziehungsweise brachte er es mir selbst. Jeden Abend, bevor ich einschlief, fragte er mich: „Wo warst du heute, Gail?“ Und ich antwortete: „Ich war einkaufen.“ Und er hackte nach: „Wo hast du eingekauft, Prinzessin?“ Und, wenn ich nicht weiter wusste, erzählte er mir, wo ich angeblich gewesen sei. Er schilderte es mir in allen Einzelheiten, sodass ich schließlich selbst daran glaubte. Er hat mich die ganze Zeit hier gefangen gehalten, und ich hatte es nicht mal gemerkt!“, stellte ich ungläubig fest.
    „Es ist nicht deine Schuld, Liebling“, redete Ryan behutsam auf mich ein. „Du bist unschuldig, du bist gut und rein. Du bist ein Engel, der eine Zeit lang dem Teufel ausgeliefert war. Jetzt bist du frei. Konzentriere dich wieder auf die Vergangenheit. Tu es für mich, Schatz. Ich weiß, es tut weh, aber da müssen wir beide durch. Erzähl mir bitte alles, woran du dich erinnern kannst!“
    „Ich erinnere mich an diese Schublade“, sagte ich leise, „und an deren Inhalt.“ Ich machte sie auf und lächelte zufrieden. „Ja, sie sind alle noch da! Meine Lieblingsrezeptbücher. Und in dem Schrank hier bewahrte ich meine Spirituosen auf.“ Ich öffnete die Schranktür, und das Licht der Taschenlampe beleuchtete mehrere Flaschen, die teilweise leer waren. „Greg machte sich Sorgen um meinen Alkoholkonsum, trotzdem holte er mir immer wieder Nachschub. Weil es mich glücklich machte. Ich genehmigte mir schon am frühen Morgen einen Drink, nachdem ich meinen Kaffee ausgetrunken hatte. Mittags war ich meistens besoffen und hielt ein Schläfchen. Als ich aufwachte, machte ich mich daran, das Abendessen für Greg zuzubereiten. Irgendwann machte meine Leber nicht mehr mit, ich verspürte immer ein leichtes, unangenehmes Stechen an der rechten Seite, und Greg besorgte mir Tabletten, die meine Leberfunktion unterstützen sollten. Danach ging es mir besser. Trotzdem wachte ich eines Nachts auf, weil ich so schlimme Schmerzen hatte, dass ich sie nicht mehr aushielt. Ich flehte Greg an, er möge doch etwas tun, um sie zu lindern. Er verabreichte mir eine Infusion und untersuchte mich eingehend. „Verdammt, Gail, du hast Gallensteine!“, stellte er schließlich fest. „Du darfst nie wieder Alkohol trinken!“ Er hat mir eigenhändig meine Gallenblase entfernt. Und dann musste ich ganz lange eine strenge Diät halten. Mein Alkohol fehlte mir so sehr, dass Greg sich nun eine Alternative überlegen musste. Er besorgte mir Marihuana, und ich kam schnell auf den Geschmack. Nun schwebte ich die meiste Zeit auf Wolken, wenn ich nicht gerade schlief. Ich wanderte durchs Haus wie ein Zombie mit einem dämlichen Grinsen im Gesicht, bis Greg schließlich so genervt davon war, dass er mir wieder den Alkohol erlaubte. „Besoffen bist du mir lieber als bekifft“, sagte er.
    „Mir egal!“, erwiderte ich, „Hauptsache, ich bin glücklich!“ Er stellte mir eine Mischung aus Medikamenten und Vitaminen zusammen, die meinem Körper weiterhin den Alkoholgenuss möglich machten. Dafür war ich ihm unendlich dankbar und revanchierte mich, indem ich die perfekte Ehefrau für ihn spielte, so wie er mich haben wollte. Er war sehr zufrieden mi t mir und belohnte mich mit teuren Geschenken. Fast jeden Tag brachte er mir etwas Neues mit: Blumen, Schmuck, schöne Kleider… Dabei wollte ich doch nur, dass er bei mir blieb, am liebsten rund um die Uhr. Und dann wurde mein Traum wahr. Eines Tages sagte er mir, dass er nun in den Ruhestand ging, um sich nur noch um mich zu kümmern, und ich konnte mein Glück kaum fassen. Seine ständige Anwesenheit beflügelte mich so sehr, dass ich sogar vergaß zu trinken. Ich brauchte den Alkohol nicht mehr. Auch Greg schien rundum glücklich, er konzentrierte sich voll und ganz auf mich. Als Erstes nahm er sich vor, meine Allgemeinbildung aufzupeppen. Er widmete mir sein ganzes pädagogisches Talent und unterrichtete mich unermüdlich in allen möglichen Fächern. Ich genoss es sehr und machte große Fortschritte, die Greg mit immer größeren Geschenken belohnte. Doch eines Tages fing ich an, mich zu langweilen, da Gregs fortgeschrittenes Alter ihm immer mehr zu schaffen machte. Unser Altersunterschied machte sich langsam, aber sicher bemerkbar. Egal, wie

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