Der Tag an dem ich erwachte
viele Pillen er schluckte, blieb sein Schwanz schlapp, und während unserer Unterrichtsstunden nickte er immer wieder ein.“
„Und was passierte dann?“, fragte Ryan.
„Ich wachte auf und sah dich“, erwiderte ich, selbst über meine Antwort überrascht. „Wir sahen uns, verliebten uns, du hast mir zur Flucht verholfen, und jetzt sind wir hier.“
„Gut, Gail, ich denke, es reicht für heute“, sagte Ryan. „Du hast genug durchgemacht. Lass uns schlafen gehen und morgen weitermachen. Gibt es hier ein Gästezimmer?“
„Ja, gleich um die Ecke. “
„Dann schlage ich vor, dass du heute Nacht dort schläfst. Ich nehme die Couch. Ich glaube, es ist auch dir recht, dass wir das Schlafzimmer nicht benutzen. Sei mir bitte nicht böse… Ich muss das Ganze erstmal verdauen!“
Ich schlief auf dem schmalen Gästebett ein, von den ganzen Erinnerungen, die wie eine Flut über mich kamen, erschöpft und überwältigt. Bevor ich einschlief, fragte ich mich, wozu Greg eigentlich ein Gästezimmer hatte, denn wir hatten nie Gäste. Oder etwa doch?
Ich träumte von einem jungen Mann mit blonden, leicht gelockten Haaren, die er zu einem kurzen Pferdeschwanz zusammengebunden trug und großen, fast kindlich blickenden blauen Augen. Er stand an der Türschwelle und sah mich so verblüfft an, als wäre ich ein Geist. Danach pfiff er bewundernd aus: „Hallo, Schmuckstück! Wer bist du denn?“
Gregs wütende Stimme schnitt scharf die Luft: „Was wollen Sie hier, wie haben Sie mich gefunden?“
„Das waren gleich zwei Fragen in einem Satz, Professor“, grinste der Mann frech, „welche soll ich zuerst beantworten?“
„Verschwinden Sie sofort aus meinem Haus!“, verlangte Greg, doch ehe er dem jüngeren Mann die Tür vor der Nase zuknallen konnte, kam ihm dieser zuvor und schob eilig seinen Fuß hinein. Dem Fuß folgte der Rest seines Körpers, und dann war er drin. In Gregs Haus, in unserem Haus, in meinem kleinen Universum. In Gregs Heiligtum, das er durch seine bloße, respektlose Anwesenheit besudelte. Oh, wie ich es genoss! Er stand grinsend da und musterte mich unverschämt von oben bis unten.
„Ist es Ihre Tochter?“, fragte er neugierig.
„Gail, ruf die Polizei!“, befahl Greg, doch ich blieb wie angewurzelt stehen und starrte unseren ungebetenen Gast mit offenem Mund an. Die Tatsache, dass sich ein anderer Mensch außer mir und Greg bei uns im Haus befand, erschien mir beinahe so übernatürlich, als wären wir von einer Horde Aliens überfallen. War er überhaupt da oder bildete ich mir seine Anwesenheit nur ein?
„Gail“, schmunzelte er, „netter Name.“
„Danke“, flüsterte ich wie betäubt.
„Gail, was ist mit dir los, hast du mich nicht gehört?“, herrschte Greg mich an. Der Fremde hob abwehrend beide Arme hoch.
„Beruhigen Sie sich, Professor, ich werde Sie schon nicht überfallen. Ich werde Sie weder ausrauben noch Ihre schöne Tochter entführen. Ich möchte mich bloß mit Ihnen unterhalten.“ Greg starrte ihn fassungslos an, er war es nicht gewohnt, dass man ihm widersprach, und so viel geballte Frechheit machte ihn anscheinend sprachlos. Ich sah, wie seine Naseflügel sich wütend aufblähten und seine Hände sich zu Fäusten bildeten. Auch dem Fremden entging es nicht. „Ach, kommen Sie, Professor, Sie wollen mich doch nicht etwa schlagen? Ich komme in Frieden, wie ich bereits sagte. “ Plötzlich zauberte sich ein böses Lächeln auf Gregs Gesicht, er schien es sich anders überlegt zu haben. Diese ungewöhnliche Situation fing unübersehbar an, ihm Spaß zu machen.
„Kommen Sie rein, mein Freud“, säuselte er liebenswürdig, „Gail, Liebling, würdest du bitte unserem Gast einen Tee servieren?“
„Gail, Liebling“, äffte der Fremde Greg nach, „ich hätte viel lieber einen Drink, wenn es sich machen lässt.“ Als Greg sich auch diese Frechheit wortlos gefallen ließ, wusste ich, dass er nichts Gutes im Schilde führte und beschloss spontan, dass ich es nicht zulassen würde. Es war das erste Mal, dass ich es wagte, gegen Greg zu rebellieren, das Gefühl, das mich dabei überkam, war regelrecht euphorisch und erfüllte mich mit einer ganz neuen Kraft. Ich verließ das Wohnzimmer, und als ich wieder kam, trug ich ein Tablett, auf dem zwei Drinks standen: Vodka Lemon mit vielen Eiswürfeln, einer für mich, einer für den Fremden. Greg brachte ich eine Tasse Tee, seinen wütenden Blick ignorierend.
„Du wolltest doch Tee, Liebling?“, vergewisserte ich mich
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