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Der Tag, an dem John Dillinger starb

Der Tag, an dem John Dillinger starb

Titel: Der Tag, an dem John Dillinger starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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Kabriolett mit heruntergeklapptem Dach gefahren, weil er gehofft hatte, der Fahrtwind werde sich als kühle Brise erweisen. Das Gefühl, noch immer nicht in Sicherheit zu sein, trug möglicherweise zu seinem Unbehagen bei. Aber sobald die Grenze hinter ihm lag, fühlte er sich sicher, und als die Sonne heißer als zuvor herabzubrennen schien, hielt er am Rand der staubigen Straße und schloß das Verdeck, um wenigstens etwas Schatten zu haben. Er legte seinen Panamahut mit der Innenseite nach oben auf den Bei­ fahrersitz, damit das Schweißband abtrocknen konnte, und war verdammt froh, daß er sich diesen Hut gekauft und den Stroh­ hut weggeworfen hatte. Schließlich wollte er nicht schon aus einer Meile Entfernung als Amerikaner kenntlich sein.
     Dillinger tastete mit den Fingerspitzen nach dem Schnurrbart, den er sich jetzt wachsen ließ. Er warf einen prüfenden Blick in den Rückspiegel. Der Bart war schwarz. Jetzt brauchte er nur noch einen sonnengebräunten Teint.
     Über der Stadt schien die Sierra Madre in violettem Dunst zu schweben. Er wäre jede Wette eingegangen, daß es dort oben kühler war, aber er mußte jetzt ein gutes Hotel finden, falls es hier überhaupt eines gab. Dann sah er es jenseits der Plaza Civica, die sich vor der Kirche erstreckte: das Hotel Balcon, ein quadratisches rosa Gebäude mit herabbröckelnder Fassade. Es hatte während der Revolution als Stützpunkt gedient, und seine Mauern wiesen zahlreiche Einschüsse auf.
     Dillinger brachte den weißen Chevrolet vor dem Hotelein­ gang zum Stehen und glaubte zu spüren, daß er aus dem Park von Dutzenden von Augenpaaren beobachtet wurde. Vielleicht starrten sie ihn auch aus den Fenstern über ihm an. Hätte er bei einem schwarzen Wagen bleiben sollen, wie ihn die meisten anderen Leute fuhren, anstatt ein weißes Kabriolett zu fahren, das überall auffiel? Aber er war in die gottverdammte Kiste vernarrt und machte sich nur Sorgen, weil sie jetzt staubig und verdreckt war. Im Vergleich zu den Staaten hatten diese Leute wirklich verdammt schlechte Straßen.
     John Dillinger zog seine Leinenjacke an und nahm den Koffer vom Rücksitz. Alles übrige war sicher im Kofferraum verstaut.
     Er sah einen älteren Mann auf der Bank vor dem Hotel sitzen, achtete jedoch nicht auf ihn. Der Alte rauchte eine Zigaretten­ kippe, wie sie Leute rauchen, die sich keine Zigaretten leisten können: Er sog gierig den Rauch aus den letzten zwei Zentime­ tern ein.
     »Hallo«, sagte der Mann, als Dillinger an ihm vorbeigehen wollte.
     Dillinger blieb stehen. Er kannte diesen alten Knaben in dem zerknitterten Leinenanzug ganz bestimmt nicht. Das Gesicht des anderen zeigte, daß er’s sein Leben lang schwer gehabt hatte. Ein grauer Bart umrahmte seinen breiten Mund.
     John Dillinger hatte sich Sorgen gemacht, weil er nur ein paar Brocken Spanisch konnte – und dann begrüßte ihn dieser Kerl mit einem unverkennbar amerikanischen »Hallo«. Jetzt fügte er hinzu: »Haben Sie ‘n Quarter für mich übrig?«
     Dillinger stellte seinen Koffer ab. »Woher wissen Sie, daß ich Englisch spreche?«
     »Sie gehen wie ein Amerikaner. Und ich hab hier noch keinen Wagen wie Ihren gesehen.« Der Bärtige zeigte auf das weiße Kabriolett. »Außerdem«, fügte er grinsend hinzu, »sind Kenn­ zeichen aus Illinois nicht gerade typisch für hierzulande. Für ‘n Quarter paß ich auf Ihr schönes Fahrzeug auf, während Sie sich ein Zimmer nehmen.«
     »Wovor muß der Wagen bewacht werden?«
     »Die Jugendlichen würden über Ihr Auto herfallen, ehe Sie im Hotel verschwunden wären. Ich bin völlig abgebrannt, Mister. Für ‘n Quarter sorg ich dafür, daß niemand an Ihr Auto rankommt.«
     Dillinger zog einen Fünfdollarschein aus seiner Geldbörse und hielt ihn dem Bärtigen hin. »Ich möchte, daß Sie besonders gut aufpassen.«
     Als der Alte den Fünfer sah, strahlte er, als habe er in der Lotterie gewonnen. »Danke, vielen herzlichen Dank!« sagte er heiser.
     John Dillinger hielt seinen Koffer bereits wieder in der Hand, als er den Mann fragen hörte: »Kennen wir uns nicht von irgendwoher, Mister? Sind Sie vielleicht mal in Laredo gewe­ sen?«
     »Nein.«
     »San Antonio?«
     »Nein«, wiederholte Dillinger und ging die Stufen zum Hotel hinauf.
     »He, jetzt weiß ich, wie Sie aussehen!« sagte der Alte er­
    staunt. »Sie sehen wie John Dillinger aus!«
     Dillinger sah sich um, ob irgend jemand in Hörweite stand. Einzig eine dicke Mexikanerin mit

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