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Der Tag, an dem John Dillinger starb

Der Tag, an dem John Dillinger starb

Titel: Der Tag, an dem John Dillinger starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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einem Korb auf dem Kopf überquerte in ihrer Nähe die Straße. Aber sie kannte seinen Namen bestimmt nicht, selbst wenn sie ihn mitbekommen hatte.
     »Ich hab Ihr Bild in der Zeitung gesehen«, fuhr der Mann fort. »Sie sind’s, nicht wahr?«
     Dillinger machte langsam kehrt und baute sich vor ihm auf. »Sie täuschen sich, mein Freund. Ich heiße Jordan, Harry Jordan.« Er öffnete seine Jacke etwas, so daß der Alte den Griff der Colt-Pistole im Halfter unter seinem linken Arm sehen konnte. »Sie sollten vorsichtiger sein, alter Junge. Wir Amerikaner müssen im Ausland zusammenhalten. «
     »Entschuldigen Sie bitte«, murmelte der Bärtige. »Ich muß mich getäuscht haben.«
     »Das passiert mir selbst oft genug«, versicherte Dillinger ihm und betrat das Hotel.

    Auf dem Balkon über dem Hoteleingang hatte der im Schatten einer Markise sitzende Gast, der das beste Zimmer genommen hatte, dieses Gespräch interessiert verfolgt. Obwohl er nicht genau verstanden hatte, worum es dort unten gegangen war, hatte der neue Gringo mit Autorität und Selbstbewußtsein gesprochen, die ihm gefielen. Er griff nach seinem Malakka­ stock, rückte den breitkrempigen Hut zurecht und ging in die Hotelhalle hinunter. Er hatte den stolzen Gang eines Mannes, der weiß, was er will, und für den es keine Hindernisse gibt.

    John Dillinger, der am Empfang auf seinen Zimmerschlüssel wartete, sah ihn im Spiegel herankommen. Der Mexikaner war groß und breitschultrig; er hatte graue Schläfen und ein schma­ les Raubvogelgesicht, zu dem seine etwas schiefe Boxernase nicht recht paßte. Er war nicht nur elegant gekleidet: in seinem ganzen Auftreten lag etwas von der Vornehmheit eines Hidal­ gos. Damit gehörte er einer Klasse an, die die Revolution fast ganz ausgerottet hatte. Er gehörte zu den Stolzen, die niemals nachgaben – die nicht unterjocht, sondern nur zerbrochen werden konnten.
     Er nahm seinen langen Zigarillo aus dem Mund. »Señor Jor­ dan, nicht wahr?« fragte er in nahezu akzentfreiem Englisch.
     Dillinger erstarrte. Woher kannte dieser Mann den Namen in
    seinem Reisepaß? Aber es hatte keinen Zweck, ihn zu leugnen. Der Hotelportier kannte den Namen. Der alte Amerikaner vor dem Hotel kannte ihn. »Ja«, sagte Dillinger nur.
     »Gestatten Sie, daß ich mich vorstelle: Don José Manuel de Rivera.«
     Aus der Art, wie der Hotelportier dem Mann zunickte, konnte Dillinger schließen, daß sein Gegenüber angesehen und ein­ flußreich war.
     »Mein Anliegen läßt sich mit wenigen Worten auseinander­ setzen, Señor«, fuhr Rivera fort. »Darf ich Sie vielleicht auf Ihr Zimmer begleiten? Wir könnten uns unterhalten, während Sie auspacken.«
     »Wir können uns gleich hier in der Hotelhalle unterhalten«, widersprach Dillinger. Er zeigte auf einen Rohrtisch mit Glasplatte und zwei Rohrstühlen.
     »Ganz wie Sie wünschen«, stimmte der Mexikaner zu.
     In diesem Augenblick hörten sie draußen Gerangel, und eine
    heisere Stimme brüllte: »Haut ab! Verduftet! Zieht Leine, verdammt noch mal!«
     »Entschuldigung«, sagte Dillinger und trat rasch auf die Stra­ ße, wo der Alte versuchte, drei hemdlose mexikanische Ju­ gendliche zu vertreiben, von denen einer bereits die Beifahrertür des Kabrioletts geöffnet hatte und das Handschuh­ fach durchwühlte.
     Dillinger war mit wenigen raschen Schritten am Auto, bekam den Jungen am Haar zu packen, riß ihn zurück und drehte ihm den linken Arm auf den Rücken, ohne auf die wütenden spani­ schen Beschimpfungen des Überraschten zu achten. Dann sah er gelassen zu den beiden anderen Jugendlichen hinüber, die auf der Fahrerseite auf dem Trittbrett standen. Sein Blick und das Gejammer ihres Freundes genügten, um die beiden in die Flucht zu schlagen. Sie rannten die Straße hinunter und ver­ schwanden.
     Der alte Amerikaner kam um den Chevrolet herum und brüll­ te dem Gefangenen »Ladron! Ladron!« ins Gesicht.
     »Was heißt das, verdammt noch mal?« fragte Dillinger.
     »Dieb.«
     »Sagen Sie ihm, daß ich ihm den Arm breche, damit er nicht mehr stehlen kann.«
     Der Alte übersetzte seine Drohung in gebrochenes Spanisch. Der Jugendliche machte ein ängstliches Gesicht.
     Im nächsten Augenblick stieß Dillinger ihn von sich fort, daß der Junge zu Boden ging; er kam jedoch gleich wieder auf die Beine und rannte hinter seinen Freunden her.
     John Dillinger lachte und merkte erst dann, daß Rivera die ganze Szene vom Hoteleingang aus beobachtet

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