Der Tag, an dem John Dillinger starb
Gemeinschaftsgrab«, befahl er Bonilla, »und dann müssen wir weiter. Wir dürfen die Mörder nicht zur Ruhe kommen lassen!«
Zur Ausrüstung jedes Mannes gehörte ein Klappspaten. Die Männer schnallten sie hinter den Sätteln los, stellten ihre Karabiner zu Pyramiden zusammen und machten sich an die mühsame Arbeit.
Cordonna und der Sergeant beobachteten sie schweigend. Als das Gemeinschaftsgrab knapp einen Meter tief war, nickte Cordonna. Die Soldaten holten die vier Leichen heran und betteten sie nebeneinander ins Grab. Als die Männer sich erwartungsvoll am Grabrand aufstellten, nahm Cordonna seine Mütze ab und begann ein Gebet zu sprechen.
Zwischen den Felsen am oberen Rand des Kessels zielte Ortiz auf den Hinterkopf des Leutnants und drückte ab. Das war das Signal für den Überfall. Als Cordonna nach vorn ins offene Grab fiel, überschütteten die Apachen seine Soldaten mit einem Kugelhagel.
Sekunden später war alles vorüber. Hier und dort bewegte sich noch einer der Kavalleristen oder versuchte, hinter seinen toten Kameraden Deckung zu finden, aber es gab kein Entrin nen. Die Schießerei ging weiter, solange sich unten noch etwas regte. Schließlich hob Ortiz eine Hand und richtete sich auf.
Während er das Gemetzel zu seinen Füßen betrachtete, kam einer seiner Krieger über die Felsen auf ihn zu und zog ihn aufgeregt am Ärmel. Ortiz folgte ihm zu einem höheren Fels block, von dem aus er in die Wüste hinaussehen konnte. Dort galoppierten zwei Reiter von der Hazienda aus den Weg entlang.
Ortiz rannte auf seinen Platz zurück und rief den Kriegern zu, sich wieder zu verstecken und keinen Laut von sich zu geben. Einige Minuten später ritten Rivera und Rojas unter ihnen in den Kessel.
Sie stiegen rasch ab und starrten die Toten stumm vor Entset zen an. Plötzlich erblickte Rivera seine Frau, stolperte ins Grab und zog die Leichen weg, von denen sie halb bedeckt war. Er sank auf die Knie. Dann suchte er wie ein Wahnsinniger nach der Leiche seiner Tochter, fand sie jedoch nicht.
Neben Ortiz hob Kata sein Gewehr und zog fragend die Au
genbrauen hoch. Aber Ortiz schüttelte den Kopf.
»Er ist der Mann, auf den wir’s abgesehen haben«, stellte Kata fest. »Dann ist alles vorbei.«
»Er soll erst leiden«, sagte Ortiz, »deshalb haben wir das Kind geraubt.«
12
Rojas und eine Gruppe Mestizen brachten die Toten mit einem großen vierspännigen Wagen auf die Hazienda.
Für Rose war der traurigste Anblick das Bild, wie ihr Onkel mühsam auf den Wagen kletterte, um nochmals die Leichname zu betrachten.
»Habt ihr Juanita gefunden?« fragte Rivera verzweifelt.
»Nein, patrón, sie ist nicht dabei«, antwortete Rojas.
Rivera starrte nicht Doña Clara, Maria oder Felipe, sondern nur den toten Cordonna an, als habe er alle Hoffnung auf die Kavalleristen gesetzt. Dann brach er plötzlich in Tränen aus, was Rose noch nie bei ihm erlebt hatte – was sie sich bei ihrem Onkel nicht einmal hätte vorstellen können. Und als Rivera vom Wagen sprang, legte Rose ihm in ihrer Herzensgüte einen Arm um die zuckenden Schultern.
»Ich weine nicht um die Toten«, sagte er mit erstickter Stim me, »sondern um meine carissima, me ine kleine Juanita.«
»Keine Angst, wir holen sie zurück«, versicherte Rose ihm tröstend.
»Wer denn?« fragte ihr Onkel. »Die Soldaten sind tot. Ich kann jemand zur nächsten Telegrafenstation schicken, damit doppelt so viele Kavalleristen entsandt werden, um Cordonnas Tod zu rächen – aber wer weiß, was Ortiz der Kleinen bis dahin antut?«
»Wir jagen sie ihm sofort wieder ab«, sagte Dillinger, der jetzt neben Rose stand. »Aber nur unter der Bedingung, daß Sie keine Soldaten anfordern.«
Rivera starrte Rose und den Amerikaner an und merkte, wie es mit den beiden stand.
»Rose«, begann er heiser, »in dieser traurigsten Stunde mei nes Lebens muß ich dir sagen, wer dieser Mann ist.«
»Ich weiß, daß er nicht Harry Jordan ist. Er heißt Johnny.«
»Nach ihm wird gefahndet.«
»Ich bin es, die ihn gesucht und gefunden hat.«
»Die nordamerikanische Polizei fahndet nach ihm! Er ist ein Gangster, ein Bankräuber!«
Dillinger beobachtete Rose, als versuche er, ihre Gedanken zu lesen.
»Onkel, ich weiß seit einiger Zeit, was für ein Mann er ist«, erklärte sie Rivera. »Daß er Banken beraubt, die ihrerseits Menschen berauben, kann ein Akt der Gerechtigkeit sein, der gegen bestehende Gesetze
Weitere Kostenlose Bücher