Der Tag, an dem John Dillinger starb
nahm das Trommelmagazin aus der Thompson, überzeugte sich davon, daß der Mechanismus einwandfrei funktionierte, und setzte das Magazin sorgfältig wieder ein. Danach zog er das Magazin aus der Colt-Pistole, drückte die Patronen heraus und füllte das Magazin mit pedantisch genau en Bewegungen wieder auf, als könnte sein Leben davon abhängen. Er stellte die Thompson rechts neben dem Gaspedal auf den Wagenboden, wo sie an Roses Gewehr lehnte.
Rose beugte sich zu ihm hinüber und küßte ihn auf die Wan
ge. »Ich wünsche uns viel Glück«, sagte sie dabei.
»Ich hab dir doch gesagt, daß wir aus dieser Sache heil raus kommen würden, stimmt’s?« Er grinste. »Außerdem bin ich schon häufig gejagt worden.« Dillinger steckte die Pistole ins Schulterhalfter zurück und öffnete das Kabrioverdeck. Dann setzte er sich ans Steuer. »Fertig?«
Als Rose nickte, ließ er den Motor an, fuhr langsam davon und winkte Chavasse zu, der hinter einem Felsblock in Dek kung gegangen war. Rivera und Villa lagen ihm genau gegen über hinter zwei anderen Felsen.
Weit draußen in der Wüste schien die ausgedörrte Erde in den Himmel überzugehen, und die Mesquitebüsche leuchteten mit eigentümlicher Glut, als könnten sie jeden Augenblick in Flammen aufgehen.
Sie umrundeten den Ausläufer des Felsgrats und fuhren in die weite Ebene hinaus. Vor ihnen stieg ein Höhenzug an, hinter dem die zerstörte rancheria liegen mußte. Dillinger sah häufig in den Rückspiegel, ohne irgendwo eine Bewegung erkennen zu können.
»Jetzt weißt du, wie’s einem Fuchs zumute ist«, erklärte er Rose.
»Das könnte einem leicht auf die Nerven gehen«, antwortete sie mit gepreßter Stimme.
Im nächsten Augenblick hörten sie hinter sich Pferde wie hern.
Rose drehte sich auf dem Beifahrersitz um und zählte sechs Indianer, die hinter ihnen den Hügel hinunterritten und dabei ihre Pferde unbarmherzig antrieben.
Dillinger trat ruckartig auf die Bremse und wirbelte dabei eine Staubwolke auf, in der sie sekundenlang unsichtbar waren, während er mit dem Chevvy wendete und auf dem gleichen Weg zurückfuhr – genau den sie verfolgenden Apachen entge
gen.
Während der knochentrockene Staub unter den Hufen der Indianerpferde aufgewirbelt wurde, sahen die Apachen ihre Beute in dem weißen Kabriolett plötzlich in einer Staubwolke verschwinden, aus der das Auto Sekunden später wieder auftauchte und auf sie zufuhr! Sie zogen die Zügel ihrer scheu enden Pferde an, aber der Wagen fuhr unbeirrbar weiter auf sie zu, und als die Apachen den Rückzug antreten wollten, tauch ten Villa, Chavasse und Rivera vor ihnen auf und begannen aus kürzester Entfernung zu schießen.
Dillinger bremste scharf und brachte den schleudernden Wa gen quer zur Fahrtrichtung zum Stehen. Rose schoß als erste auf die flüchtenden Angreifer und traf einen von ihnen; das reiterlose Pferd trabte ziellos im Kreis. Dillinger war die Entfernung für seine Thompson noch zu groß, deshalb gab er Vollgas und raste mit dem Chevvy geradewegs auf den näch sten Apachen los, der sich bei dem Versuch, dem heranrasen den Auto auszuweichen, nicht auf dem Pferd halten konnte. Er wurde noch während seines Sturzes von Villas Kugeln getrof fen und blieb bewegungslos liegen.
Damit war alles vorbei. Wie durch ein Wunder war keiner aus ihrer Gruppe verletzt. Rivera lief von einem der toten Indianer zum andern. Keiner von ihnen war Ortiz.
15
Im Lager der Apachen war keine Spur von der kleinen Juanita zu entdecken. Rivera kochte vor Wut. Nachita hatte sich täuschen lassen. Sie hatten die falsche Gruppe verfolgt.
Dillinger und Rose ließen den Chevvy auf der Straße stehen und stiegen zu dem Indianerlager in der Senke am Brunnen hinauf. Nachita hatte Feuer gemacht; jetzt hockte er davor und wartete darauf, daß sein Kaffeewasser kochte. Er hob nur kurz den Kopf, als Dillinger an ihm vorbei zu den zerfallenden Adobemauern hinüberging.
Dort war es eigenartig still, als dämpfe die Hitze alle Geräu sche; aber dann wehte ein leichter Wind über die Ebene und raschelte flüsternd mit den Mesquiteblättern. Dieses Geräusch rührte Dillinger merkwürdig an.
Lebte das Mädchen nicht mehr? Waren alle ihre Bemühungen umsonst gewesen? Er erinnerte sich an seine eigene Kindheit, seine Jugend. Als er sich freiwillig zur Marine gemeldet hatte, war er voll guter Vorsätze gewesen, aber er hatte das militäri sche Prinzip von Befehl und
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