Der Tag, an dem John Dillinger starb
hinter einigen abgestorbenen Bäumen in Dek
kung, und Dillinger spähte nach vorn. Einige hundert Meter vor ihnen stieg der nächste Felsrücken aus dem Sand und schwang sich steil zu den Gipfeln auf.
»Die zerstörten Gebäude und der Brunnen liegen dahinter in einer Mulde«, sagte der alte Indianer.
»Weißt du bestimmt, daß die anderen dort sind?«
»In einem Mesquitedickicht auf halber Höhe des nächsten Hügels ist ein Wachposten aufgestellt. Ein offener Angriff wäre sinnlos.«
»Warum müssen wir überhaupt angreifen?« fragte Rose. »Können wir nicht verhandeln und in Erfahrung bringen, was Ortiz für die Kleine will?«
Nachita überlegte, bevor er antwortete. »Ich könnte mich ihrem Lager offen nähern«, gab er zu. »Ich könnte der Wache aus guter Deckung zurufen, daß ich Nachita bin und mit Ortiz verhandeln will.«
»Was würde daraufhin geschehen?« fragte Dillinger.
»Ortiz würde mich umbringen oder mit mir reden.«
»Das ist ein zu hohes Risiko«, wandte Rose ein.
»Selbst wenn wir miteinander reden würden«, fuhr Nachita fort, »wird Ortiz etwas verlangen, das wir ihm nicht geben können.«
»Was denn?« erkundigte Dillinger sich.
»Riveras Leben.« Nachita seufzte. »Wir warten hier auf die anderen.«
Dillinger, der neben Rose auf dem Trittbrett des Chevvys saß, konnte die Reiter schon von weitem kommen sehen. Im Au genblick nahm er in seiner unmittelbaren Umgebung nur die Sonnenhitze und die Wüste wahr. Nur wenige Meter von ihm entfernt kam eine kleine grüne Eidechse unter den Felsen hervor: Leben in einer toten Welt. Er beobachtete sie eine Zeitlang. Sie verschwand blitzschnell, als die anderen herange ritten kamen.
Rivera baute sich mit verschränkten Armen vor einem Fels block auf. Die anderen kauerten im Halbkreis vor Nachita und Dillinger, die ihnen die Lage auseinandersetzten.
»Wie ich die Sache sehe, haben wir nicht die geringste Chan ce, sie zu überrumpeln«, stellte Chavasse nüchtern fest.
Der alte Apache nickte und stand auf. »Wir müssen dafür sorgen, daß sie zu uns kommen. Das ist die einzige Möglich keit. «
»Und wie sollen wir das anstellen?« fragte Rivera.
»Das kann ich euch zeigen.«
Sie folgten ihm in die Wüste hinaus bis zu einem Felsgrat, der durch einen Einschnitt in zwei ungleich große Hälften geteilt wurde. Etwa hundert Meter weiter verflachte der Grat zuse hends, um dann im Sand zu verschwinden.
»Zwei von uns müssen in die Wüste hinausreiten. Sie sind von oben zu sehen, sobald sie diese Felsen hinter sich lassen.«
»Und Ortiz wird sie verfolgen?« fragte Chavasse.
Der Alte nickte. »Die anderen warten hinter den Felsen ver
steckt. Sobald Ortiz und seine Männer auf der Verfolgung durch diesen Einschnitt reiten, ist alles andere einfach. «
»Weshalb zwei Reiter?« erkundigte Dillinger sich.
Nachita zuckte mit den Schultern. »Ein einzelner Mann könn
te verdächtig wirken, aber zwei Reiter könnten bedeuten, daß unsere Gruppe sich ebenfalls geteilt hat.«
»Und meine Tochter?« warf Rivera ein.
»Sie wird zweifellos unter Bewachung zurückgelassen. Ich
schleiche mich zu Fuß bergauf und in ihr Lager, während ihr sie hier ablenkt.«
»Ein guter Plan«, meinte Rivera nachdenklich.
»Wir müssen nur noch entscheiden, wer als Köder dienen soll«, stellte Villa ruhig fest. »Keine beneidenswerte Aufgabe, wenn ihr mich fragt.«
Dillinger seufzte. »Der Köder würde bestimmt am überzeu gendsten wirken, wenn ich dort draußen mit meinem Kabriolett unterwegs wäre – mit zurückgeklapptem Dach, als wäre ich auf einem Sonntagsausflug.«
Die anderen schwiegen, bis Nachita sagte: »Ich bin deiner Meinung, aber du solltest jemand mitnehmen. Eine Fahrt ohne Begleitung wäre verdächtig.«
»Er ist nicht allein«, sagte Rose.
Chavasse versuchte Einspruch zu erheben. »Ich fahre mit – nicht du, Rose.«
»Unsinn!« wehrte sie ab. »Falls wir schon zuvor beobachtet worden sind –«
»Damit rechne ich ganz bestimmt«, warf Nachita ein.
»Dann darf in dieser Beziehung keine Veränderung eintreten. Ich fahre mit ihm.«
»Gut, das wäre also geregelt«, fuhr Nachita fort. »Laßt mir eine Viertelstunde Zeit, bevor ihr abfahrt.«
Er wandte sich ab, trabte leichtfüßig über das unebene Gelän de und verschwand zwischen dem Gewirr aus Felsblöcken, das den Steilhang bedeckte. Die anderen machten sich marschbe reit.
Dillinger
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