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Der Tag, an dem John Dillinger starb

Der Tag, an dem John Dillinger starb

Titel: Der Tag, an dem John Dillinger starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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atmet noch schwerer«, antwortete der Alte, »dabei ist es viel jünger als ich.« Er setzte sich auf einen Felsblock.
     »Bist du zornig, weil ich Ortiz für einen Mann von Ehre gehalten habe?«
     »Zorn ist wie Rost im Herzen der Menschen. Er zerstört nicht den Feind, sondern nur den, der zornig ist. Wenn ich nach Norden in dein Land komme, verlasse ich mich auf deine Menschenkenntnis. Hier muß du dich auf meine verlassen. Aber ich bringe eine gute Nachricht mit.«
     Dillinger bot ihm eine der Feldflaschen an. Nachita schraubte sie auf und trank sich satt. »Die gute Nachricht besteht darin«, fuhr er fort, »daß die anderen Ortiz verlassen haben. Durch sein ehrloses Verhalten hat er auch sie entehrt.«
     »Wohin sind sie geritten?« fragte Dillinger.
     »Das weiß nur der Wind. Die federalistas werden sie niemals finden, falls sie kommen, um ihnen nachzuspüren. Ortiz ist jetzt mit dem Kind allein; er reitet in den Teil der Wüste, der sich an die großen Felstürme jenseits von Hermosa anschließt. Er hat die kleine Juanita offenbar nur mitgenommen, um sie als Kugelfang benützen zu können.« Der Alte machte eine Pause. »Wohin willst du?«
     Dillinger tastete nach seinem Colt im Schulterhalfter und warf sich die Thompson an ihrem Tragriemen auf den Rücken. »Ich bin schuld daran, daß er entkommen ist. Diesmal erwische ich ihn.«
     »Komm zurück!« rief der Alte ihm nach. »Du kennst dich hier nicht aus! Zwei falsche Entscheidungen ergeben noch keine richtige!«
     Aber seine Ermahnungen kamen zu spät. Dillinger stürmte bereits bergab, ohne darauf zu achten, was Nachita ihm nach­ rief.
     In der Kapelle kniete der Apache neben Rose nieder und rüttelte sie behutsam wach. Ihre Lider zuckten; dann schlug sie die Augen auf und blickte ihn an. Sie wußte sofort, daß irgend etwas passiert war.
     »Was gibt’s, Nachita?«
    »Er ist in die Wüste gegangen.«
    Rose starrte ihn erschrocken an. »Allein?«
    Nachita lächelte. »Männer tun manchmal verrückte Dinge.«
     Sie holte tief Luft. Ihr Gesicht trug plötzlich einen harten, entschlossenen Ausdruck.
     »Wir reiten ihm nach!«
     »Einverstanden. Wir nehmen die übrigen Pferde mit. Wir kommen schneller voran, wenn wir zwischendurch die Pferde wechseln können.« Er nickte zu Chavasse hinüber. »Sollen wir ihn wecken?«
     Chavasse öffnete blinzelnd die Augen. »Was ist los?« erkun­ digte er sich verschlafen.
     »Dillinger ist allein hinter Ortiz her.«
     Der junge Franzose stützte sich auf einen Ellbogen. »Dieser Idiot! Sie werden ihn auf einen Ameisenhaufen binden und zusehen, wie er Stück für Stück aufgefressen wird.«
     »›Sie‹ gibt’s nicht mehr«, erklärte Nachita ihm. »Die jungen Apachen haben Ortiz verlassen, weil er seine Ehre verloren hat. Ortiz ist allein.«
     »Und Juanita?« fragte Chavasse und stand auf. »Großer Gott, wir müssen uns wirklich beeilen!«

    Dillinger arbeitete wie ein Wahnsinniger, um das Buschwerk und die Zweige von seinem getarnten Wagen zu entfernen. Er war davon überzeugt, Ortiz einholen zu können, wenn er nur schnell genug wegkam. Aber es dauerte fast zwanzig Minuten, bis der Chevrolet so weit frei war, daß er ihn vorsichtig rück­ wärts aus dem höhlenförmigen Einschnitt fahren konnte, wobei er darauf achten mußte, nicht zu weit zurückzustoßen, um nicht ins ausgetrocknete Bachbett zu kippen.
     Er konnte es kaum noch erwarten, wieder die Wüste zu errei­ chen, wo er endlich Gas geben konnte.
    Die Wüste glühte in erbarmungsloser Sonnenhitze, die vom Sand abgestrahlt wurde und flimmernd aufstieg, um Wagen und Fahrer einzuhüllen, und die spärliche Vegetation schim­ merte wie im Feuer. Dillinger fragte sich, wieviel Vorsprung Ortiz haben mochte. Falls er noch nicht wußte, daß er verfolgt wurde, würde er’s bald wissen. Das Motorengeräusch des Kabrioletts hallte von den Hügeln wider.
     Dillinger wurde sich darüber klar, wie sehr Ortiz Nachita hassen mußte. Der alte Apache war ebenfalls stark, mutig und klug. Gewiß, er konnte auch grausam sein – aber nur auf die Weise, wie das Leben selbst grausam war. Er hatte für sein Volk gekämpft und seine Niederlage miterlebt. Trotzdem hatte er sich im Gegensatz zu Ortiz seine Ehre bewahrt.
     Die Sonne brannte unbarmherzig herab, aber Dillinger wei­ gerte sich hartnäckig, das Verdeck hochzuklappen. Er fuhr durch eine flache Senke und hielt auf der anderen Seite kurz an, um nach seiner Feldflasche zu greifen. Er neigte den Kopf

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