Der Tag, an dem John Dillinger starb
und ließ sich etwas lauwarmes Wasser darüber laufen.
Als er ihn wieder hob, schien die Wüste zu beben und der Berg vor seinen Augen zu verschwimmen.
Große Stille umgab ihn. Für einen Augenblick war er Be standteil dieses Schweigens, fühlte sich eins mit seiner Umge bung. Dillinger saß wie zu Stein geworden am Lenkrad, wagte kaum zu atmen und hörte nach unbestimmbar langer Zeit ein kaum wahrnehmbares Geräusch, als eine Eidechse über die Felsen huschte: Leben in einer lebensfeindlichen Wildnis – für Dillinger das zweite Erlebnis dieser Art. Hätte Rose neben ihm gesessen, hätte sie es als gutes Omen betrachtet.
Er war sich nicht darüber im klaren, daß Ortiz ihn beobachten konnte. Tatsächlich befand Ortiz sich keine dreihundert Meter von dem weißen Chevrolet entfernt – ungefähr fünfzig Meter höher zwischen den Felsen, die hier den Rand der Wüste markierten. Er hatte sein Pferd ausruhen lassen. Das Kind lag zusammengerollt in seiner Nähe; es war vor Erschöpfung eingeschlafen. Aber Ortiz’ Kraft und Stolz waren ungebrochen, und er hatte jetzt das stehende Kabriolett des Amerikaners im Visier.
Ortiz stützte den linken Ellbogen auf einen Felsen, um ruhi ger zielen zu können. Aus dieser Entfernung war kein treffsi cheres Schießen möglich, aber wenn er wenigstens den Wagen traf, würde der dumme Amerikaner weiter heranfahren – vielleicht weit genug, daß Ortiz ihm eine letzte Kugel zwischen die Augen jagen konnte.
Der Apache krümmte langsam den Zeigefinger.
Dillinger schrak auf, als die Kugel die Kühlerfigur traf, abprall te und die rechte Hälfte der Windschutzscheibe zersplitterte. Im nächsten Augenblick hatte er bereits den Motor angelassen und raste mit Vollgas davon, um nur ein rasch bewegliches Ziel zu bieten. Aber die befürchteten weiteren Schüsse blieben aus.
Sein Haß auf Ortiz verdoppelte sich durch diese Beschädi gung seines kostbaren Wagens. Es war, als hätte das Kabriolett dadurch seine Unschuld verloren. Der Chevvy würde eine neue Kühlerfigur brauchen. Er würde eine neue Windschutzscheibe brauchen. Und wo in ganz Mexiko würde Dillinger jemand finden, der ihn fachmännisch reparieren würde, ohne zu viele Fragen zu stellen? Schöner Mist!
Ortiz sah das weiße Auto schnell auf sich zukommen und behielt den Finger auf dem Abzug. Dann verschwand der Wagen plötzlich aus seinem Blickfeld. Der Apache runzelte die Stirn; nachdem er sich vergewissert hatte, daß Juanita weiter hin schlief und sein Pferd sicher angebunden war, wechselte er rasch die Stellung. Tatsächlich sah er wenige Minuten später zwischen zwei Felsen hindurchblickend unter sich den Chevro let, der jedoch nicht mehr fuhr, sondern mit gleichmäßig laufendem Motor dastand. Aber von Dillinger war nicht das geringste zu sehen.
Ein kurz zwischen den Felsen aufblitzender roter Fleck hatte Dillinger Ortiz’ neue Position verraten. Er hatte seinen Wagen mit laufendem Motor abgestellt und war mit der Thompson unter dem Arm ausgestiegen. Seiner Schätzung nach würde er etwa achtzig Meter hoch klettern müssen, um deutlich höher als Ortiz zu sein – damit aus dem Jäger ein Gejagter werden konnte.
Rose, Chavasse und der Apache waren bergab schneller als Dillinger gewesen, wobei ihnen Nachitas untrüglicher Blick für den richtigen Weg zugute gekommen war. Draußen in der Ebene waren sie in scharfer Gangart weitergeritten und hatten mehrmals die Pferde gewechselt, um sie nicht übermäßig anzustrengen.
Rose sichtete den am Rande einer flachen Senke haltenden Chevrolet als erste. Nachita hatte ihnen ein Zeichen gegeben, langsamer zu reiten und dann ebenfalls anzuhalten. Im näch sten Augenblick hörten sie den Schuß und sahen selbst aus dieser Entfernung, daß der Wagen getroffen worden war.
Rose wußte nicht, ob Dillinger verletzt war, aber als der Schuß fiel, war sie sich ganz sicher, daß sie diesen Mann trotz seines unmöglichen Lebensstils liebte.
Auch Nachita beschloß Ortiz von oben her zu überraschen, sie ließen ihre Pferde mit gefesselten Vorderbeinen zurück und begannen zu klettern. Als sie wenig später einen übersichtli chen Ort erreichten, gab Nachita Rose und Chavasse ein Zeichen, sich zu ducken und vorerst in Deckung zu bleiben. Er selbst kroch auf dem Bauch weiter, blieb dann liegen und winkte die beiden zu sich heran. Sie folgten seinem Beispiel und robbten nach vorn.
Nachita zeigte schräg nach unten. Sie erkannten ein an den
Weitere Kostenlose Bücher