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Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Titel: Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Steen
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wie im Flug, und am Samstag brach auch schon der letzte Tag ihres Urlaubs an.
    Morgens fuhren sie noch mal mit der Seilbahn auf den Berg hinauf und nahmen von der Station aus die letzten 300 Meter bis zum Gipfel in Angriff. Zuerst mussten sie eine steinerne Rinne hochklettern, die nicht einfach zu bewältigen war, zumal René kaum noch Luft bekam und buchstäblich Sterne sah. Zwischendurch musste er sich immer wieder auf einen Felsen setzen und warten, bis sein Kreislauf sich beruhigt hatte. Vor allem der letzte Anstieg, den man nur mit Händen und Füßen erklimmen konnte, machte ihm zu schaffen. Jetzt war ihm nicht nur schwindlig und flau im Magen zumute. Jetzt tat ihm auch noch jeder einzelne Knochen im Leib weh. Aber dank Claudi, die von hinten schob oder von vorne zog, gelang es ihm schließlich.
    Als er dann auf der Bank unter dem Gipfelkreuz saß und das herrliche Alpenpanorama mit dem verschwimmenden Horizont, die sattgrünen Bergwiesen in der näheren Umgebung und die weidenden Kühe darauf genießen konnte, entschädigte ihn das für die Strapazen.
    Eine Zeit lang saßen sie einfach nur da, ließen ihre Blicke über die Landschaft schweifen und freuten sich über die traumhaft ruhige Atmosphäre. Im Moment gab es hier oben nur sie, die majestätischen Berge und den azurblauen Himmel, sonst nichts und niemanden. Irgendwann lehnten sie sich zurück, ließen sich die Morgensonne auf die Gesichter scheinen und genossen mit geschlossenen Augen den leisen Klangzauber der Kuhglocken und das ferne Klappern der Seilbahngondeln. Ansonsten war es still. Man konnte die Abgeschiedenheit fast berühren, so greifbar war sie.
    Bis sie die Augen wieder aufschlugen, sich hinsetzten und in wohligem Schweigen zusahen, wie ein weißes Wolkengebilde aus dem Tal heraufquoll. Das war ein Ehrfurcht gebietendes Schauspiel, das eine eigentümliche Stimmung erzeugte. Es kam ihnen vor, als würde der liebe Gott extra für sie mit seinem Chemiebaukasten herumspielen. So saßen sie gebannt da, bis die Nebelwand sich zwischen sie und die Szenerie schob und ihnen die Sicht versperrte.
    Da erhoben sie sich mit einem leichten Bedauern von der Bank, packten ihre Sachen wieder zusammen und traten den Rückweg an.
    Den Nachmittag verbrachten sie im Ort, der um diese Zeit immer einen Verkehrsinfarkt erlitt und gar nichts Bayerisch-Gemütliches mehr an sich hatte. Also hielten sie sich möglichst lange in den Andenkenläden auf und suchten in den Regalen und auf den Grabbeltischen nach Souvenirs, die sie sich gegenseitig schenken konnten. Leider wurden sie zwischen Ansichtskarten, Maßkrügen, Grandln und Kunstdrucken mit röhrenden Hirschen oder kletternden Gämsen nicht fündig.
    Also betraten sie eines der unzähligen Bekleidungsgeschäfte, um ein paar Dirndln, Trachtenjanker und andere Produkte bayerischer Landhausmode anzuprobieren. Obwohl ihnen von vornherein klar war, dass sie sich die Dinger wegen der exorbitant hohen Preise nicht leisten konnten. Sie wollten es auch nicht.
    295 Euro für einen albernen Sepplhut … Dazu fiel René nun wirklich nichts mehr ein.
    Aber dann entdeckte er dieses nachtblaue Dirndl mit der weißen Schürze, das so wunderbar zu Claudis Haaren und ihren Augen passte. Es kostete über 1000 Euro. Trotzdem drängte er sie, es anzuprobieren. Als sie wenig später aus der Umkleidekabine trat, hielt er vor Freude den Atem an. Sie sah absolut umwerfend darin aus, auch wenn sich die alpenländische Tracht auf den zweiten Blick als Made in Taiwan entpuppte. Der offenherzige Rüschenausschnitt ließ Claudis spitzenbesetzten BH hervorblitzen, die schmal geschnittene Korsage betonte aufs Reizvollste den Schwung ihrer Hüften, und der aufwendig bestickte Rocksaum umspielte locker ihre Knie, die dadurch zu einem wahren Hingucker wurden.
    René war entschlossen, ihr das Kleid zu schenken, aber sie lachte nur und zeigte ihm einen Vogel. Da lenkte er ein, denn ihm wurde klar, dass sie das Ding sowieso nicht tragen würde. Außer auf der Wiesn oder auf einer Dult, und eben dorthin würde sie ihn niemals begleiten.
    Schließlich schenkte er ihr ein Kropfband aus schwarzem Samt mit einem lapisblau glitzernden Anhänger. Das kostete zwar auch über 100 Euro, unterstrich aber ihren schwanengleichen Hals und sah einfach toll aus. Im Gegenzug spendierte sie ihm ein Paar Loferl, die er gleich anzog und stolz durch den Ort trug.
    Abends gingen sie essen. Claudia bestellte sich einen vegetarischen Auflauf. René hätte gern G’selchtes

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