Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte
genommen, aber er beschränkte sich auf den Fisch, denn mehr vertrug sein Magen im Moment nicht. Wenn er sich recht entsann, hatte er sein letztes Stück Fleisch damals in Florida gegessen. Ein Steak war es gewesen, ein Steak mit Kartoffelbrei. Er spürte heute noch die Schmerzen im Oberbauch, die diese Mahlzeit nach sich gezogen hatte.
Während sie aßen und hin und wieder ein paar Worte wechselten, sah er Claudia über seinen Keferloher mit dem alkoholfreien Bier hinweg an. Es war so schön, mit ihr zusammen zu sein. Es war so schön, sie zu necken, denn sie konnte über sich selbst lachen wie sonst niemand und musste sich manchmal die Hand vor den Mund schlagen, damit sie nicht laut losprustete. Es war so schön, mit ihr zu schlafen, denn dabei überließ sie ihm oft das Zepter und gab ihm so das Gefühl, ein umwerfender Liebhaber und ein ganzer Kerl zu sein.
Selbst die kleinen Gesten und Alltäglichkeiten zählten. Wie Claudi beim Essen ab und zu Messer und Gabel beiseitelegte, um ihm etwas zu erzählen. Wie sie beim Sprechen die Finger an die Lippen legte oder mit der Hand ihr Kinn abstützte und ihn ansah, als wäre er der Größte. Und wie sie heute mitten im Restaurant ihre rechte Socke auszog und ihm die Blase am großen Zeh zeigte, die sie sich am Berg zugezogen hatte … Das war typisch Claudi. Es machte ihr nichts aus, für Aufsehen und Spott zu sorgen. Dabei war sie nicht mal beschwipst, denn sie trank keinen Alkohol mehr.
Er liebte sie mehr als alles andere auf der Welt. Und sie liebte ihn. Außerdem hatte sie sich endlich von Leo getrennt und die Scheidung eingereicht. Die Bahn wäre also frei für ihn, zumindest theoretisch. Aber er verwarf den Gedanken an ein Zusammenleben mit ihr wieder. Und wenn sie zehnmal die Frau war, von der er sein Leben lang geträumt hatte: Er durfte sie nicht an sich binden. Auf Dauer hatte er kein Recht auf ihre Liebe, er hatte kein Recht auf ein gemeinsames Glück mit ihr, und auf das, was diese beiden Dinge mit absoluter Gewissheit nach sich ziehen würden, hatte er schon gar kein Recht. Er kannte doch Claudi. Sie würde mit einem Enthusiasmus und einer Unbedingtheit für ihn da sein, dass ihm schon im Vorfeld ganz angst und bange wurde.
Irgendwann musste er dem Ganzen ein Ende bereiten, aber nicht jetzt, noch nicht jetzt!
Abends schliefen sie ein letztes Mal miteinander. Nicht mehr wild und hemmungslos, wie vorher, sondern leise, schaukelnd und unglaublich innig. Das knarrende Landhausbett und die bauschigen Federdecken gaben dem Ganzen einen würdigen Rahmen. Danach lagen sie still da, hielten sich in den Armen und sahen sich an.
„Du bist ja doch mei Weibal“, sagte René irgendwann.
„Hast du eben Weib zu mir gesagt?“, fragte sie.
„Ja, aber das ist ein Kosewort und soll heißen: Du bist mei herzallerliabsts Dirndl. Wenn ich bairische Mundart spreche, kann ich mich besser ausdrücken.“
„Und was bist du für mich?“
„Ein Dirrling, ein Klappergestell, ein Hänfling.“
„Du siehst eher wie ein Jockey aus oder wie ein Skispringer, finde ich.“
„Oder wie ein Unterwäschemodell?“
„Es geht in die Richtung“, sagte sie und lachte. Dann wurde sie wieder ernst. „Nur sag mal, René …“
„Ja?“
„Diese Veränderungen rund um deine Augen … Danach wollte ich dich schon die ganze Zeit fragen.“
„Das sind Warzen. Keine Ahnung, woher die kommen.“
„An den Knöcheln hast du auch welche.“
„Ja, leider. Mein Hautarzt will sie mir demnächst weglasern. Die sehen blöd aus, ich weiß. Hoffentlich ekelst du dich nicht davor.“
„Unsinn, die stören mich nicht. Aber da ist noch was anderes. Du wirkst so abgeschlagen in letzter Zeit. Ehrlich gesagt siehst du aus wie jemand, der dringend mehr Schlaf oder mehr Vitamine braucht.“
„Ich geb’s nicht gern zu, Claudi, aber das ist ein Volltreffer. Ich bin tatsächlich oft müde. Das kommt vom Eisenmangel. Ich muss mir mal wieder eine Infusion reinlullen lassen. Alter Fußballertrick, verstehst du?“
„Und du hast weiter abgenommen.“
„Ja, ich bin schlanker geworden, da hast du recht.“
„Du bist nicht mehr schlank, sondern dünn. Wie viel wiegst du?“
„78 Kilo.“
„Wirklich?“
„Also gut: 73 Kilo.“
„Ich mach mir Sorgen um dich, René. Hast du vielleicht Krebs oder ’ne Zirrhose oder so was? Wenn ja, kannst du’s mir ruhig sagen. Vielleicht kann ich dir auf irgendeine Weise helfen, eines Tages … Wenn du es mir erlaubst.“
„Da ist nichts, Claudi. Ich
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