Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte
beiseite und sagte: „Das geht so nicht mit René. Die Doppelbelastung von Liebe und Arbeit bekommt ihm nicht. Ich habe eine Fürsorgepflicht für meine Mitarbeiter. Wenn da was ist, muss ich es wissen, das ist dir hoffentlich klar.“
„Glasklar“, sagte Claudia. „Mach dir keine Sorgen. Er hat Probleme mit dem Magen-Darm-Trakt. Das liegt wohl bei ihm in der Familie.“
Jetzt fang ich auch schon an zu lügen und zu vertuschen, dachte sie gleich anschließend.
„Du, ich lass mich nicht für blöd verkaufen“, sagte er und fixierte das Kropfband, dass sie René zuliebe trug. „Wenn das so weiter geht mit ihm, muss ich es der Geschäftsleitung melden. So ist er nicht mehr arbeitsfähig, und seine Haltung zu dem Problem ist eher ablehnend, um es mal vorsichtig auszudrücken.“
„Schon klar“, sagte Claudia und bekam es plötzlich mit der Angst zu tun. Was war, wenn René seinen Job verlor? In die Forschung zurück wollte er nicht, und wahrscheinlich war das auch nicht mehr möglich. Und überhaupt: Was würde dann aus ihrer Beziehung und ihren Treffen werden?
„Darüber hinaus wäre es schön, wenn ihr euer Privatleben endlich in Ordnung bringt“, sagte Harald. „Warum lasst ihr euch auf eine Liaison ein, wenn ihr anderweitig gebunden seid?“
„Also geht’s nicht nur um die Arbeit“, sagte sie. „Hab ich mir doch gedacht. Du willst mir eine Moralpredigt halten. Aber die kannst du dir sparen. Ich wüsste nicht, was dich Renés und mein Privatleben angeht.“
„Das geht mich sehr wohl etwas an. Ihr versetzt hier alle in Aufruhr, und das werde ich nicht zulassen, jedenfalls nicht auf Dauer.“
„Wie war das noch, Harald? Bist du zwei- oder dreimal geschieden?“
„Zweimal.“
„Dann bist du jetzt also zum dritten Mal verheiratet, richtig?“
„Ja.“
„Und jedes Mal mit einer Kollegin.“
„Also … ja.“
„Wie kommt’s? Konntest du dich nicht zwischen deinen Mitarbeiterinnen entscheiden? Oder wolltest du mit der Chose den Teamgeist beschwören?“
„Das geht dich nun wirklich nichts an.“
„Genau, Harald. Misch dich nicht in Renés und meine Angelegenheiten ein, dann mischen wir uns auch nicht in deine ein.“
Das Hotel in der Innenstadt gehörte definitiv nicht zur ersten Riege modernen Hotelmanagements. So eine Kaschemme war Claudia noch nie untergekommen, und sie kannte sich nun wirklich aus in der Welt. Nachdem René und sie ihr Zimmer betreten hatten, merkte sie schnell, dass sich die Klimaanlage nicht regeln ließ, die Betten knarrten und die Minibar viel zu dürftig ausgestattet war.
Gott sei Dank war es Abend, sodass sie sich gleich nach dem Essen im hauseigenen Restaurant von den Kollegen verabschieden und in ihre Bruchbude zurückziehen konnten.
Claudia ging als Erste ins Bad. Als René dran war, putzte er sich nur kurz die Zähne und ging auf die Toilette. Danach kroch er gleich ins Bett, zog sich die Decke über den Kopf und war für niemanden mehr zu sprechen, auch für Claudia nicht.
Da beschoss sie, endlich etwas zu unternehmen. Denn so konnte es nicht weitergehen.
Als René sich nachts im Halbschlaf hin und her wälzte, stand sie leise auf und machte sich auf die Suche nach Hinweisen und Belegen für seine ominöse Krankheit. Damit wollte sie ihn später … nun ja, nicht attackieren, aber konfrontieren.
In seinem Kulturbeutel fand sie nichts, genauso wenig wie in seinem Rollkoffer und in der Kleiderstange. Schließlich klettert sie in den Innenraum des Schranks und fing an, dessen Wände abzutasten. Zu ihren Füßen wurde sie endlich fündig. Als sie die Bodenplatte anhob, fand sie einen ganzen Sack voller Medikamente mit komplizierten Namen. Die meisten Schachteln waren noch verschlossen und ließen keine Rückschlüsse auf den Inhalt zu. Auch die Wirkstoffangaben sagten Claudia nichts. Nur der Ausdruck Ikterus kam ihr vage bekannt vor. Wenn sie sich recht erinnerte, hatte das was mit Gelbsucht zu tun. Ja, das passte ins Bild. Sie hatte eh auf die Leber getippt.
Sie prägte sich die Namen der Medikamente gut ein, legte sie in ihr Versteck zurück und wollte den Ort des Geschehens gerade verlassen, als René sich plötzlich im Bett aufsetzte und fragte: „Claudi, was schnüffelst du im Kleiderschrank herum? Suchst du was Bestimmtes?“
„Nein“, sagte sie hastig, stieg wieder heraus und schlug die Tür zu. Dann kroch sie ins Bett und drehte ihm gleich die Schulter zu, damit er ihr Gesicht nicht sah.
Was war sie doch für ein Feigling. Eben noch
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