Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte
ich schwör dir hoch und heilig Besserung. Kannst du mir noch einmal verzeihen?“
„Hab ich doch längst“, sagte sie. „Und im Übrigen kennst mich ja: Bei schwierigen Fällen lauf ich erst richtig zur Hochform auf.“
„Danke, Claudi. Danke, dass du mir verzeihst.“
„Nun mal nicht so förmlich“, sagte sie und drückte den Türsummer, damit er hereinkommen konnte.
Dann stand er plötzlich vor ihr, warf den Rosenstrauß achtlos in die Ecke und deckte ihr Gesicht mit tausend Küssen zu.
Aber irgendetwas stimmte nicht. Trotz seiner Reue schien er immer noch geladen zu sein.
Der Waffenstillstand war auch nur von kurzer Dauer.
„Was ist?“, fragte Claudia irgendwann, ließ ihn los und sah ihn fragend an.
„Da gibt es noch etwas, das ich dir mitteilen muss“, sagte er, und seine Miene verdüsterte sich wieder. „Es wird dir aber nicht gefallen.“
„Hast du Krebs?“, fragte sie und fing an zu zittern.
„Nein, es geht um was anderes, und ich bin sicher, dass du mir das auch gleich wieder zum Vorwurf machen wirst.“
Sie stutzte. Dann sagte sie: „Schönen Dank auch, dass du das von mir denkst.“
„Ich hab gekündigt“, sagte er.
Einen Moment lang war es still im Flur.
Dann fragte Claudia: „Spinnst du? Warum denn?“
„Weil ich sowieso nur noch in der Klinik rumhänge. Außerdem bin ich kein guter Verkäufer. Es ist nicht so, dass ich den Job hasse, aber meine Arbeit bei Haverpore ist keine Erfolgsstory und war es nie. Ein guter Forscher war ich auch nicht. Das war vielleicht eine verlogene Scheiße damals an der Uni. Die Wissenschaft tut immer so, als würde sie am Ende unwiderrufliche Tatsachen verkünden. Dabei ist das Quatsch. Was die bekannt gibt, ist von der Wahrheit so weit entfernt wie der Mars von der Venus. Um es kurz zu machen: Ich lass mir von niemandem mehr etwas aufzwingen, auch von dir nicht.“
„Soll das ein Witz sein?“, fragte sie, und diesmal zitterte ihre Stimme nicht vor Furcht, sondern vor Wut.
„War ja klar, dass du so was in der Art sagst“, sagte er und lachte unfroh auf. „Warum bin ich bloß zurückgekommen? Ich wusste doch, was mich hier erwartet.“ Danach wandte er sich mit einem Ruck ab, stürmte ins Arbeitszimmer und donnerte die Tür hinter sich zu. Den Rosenstrauß ließ er als Abschiedsgruß auf dem Boden liegen.
Claudia stand ganz still da und versuchte ihre Gefühle wieder in den Griff zu bekommen.
Er hatte seinen Job geschmissen und im Vorfeld nie auch nur ein einziges Wort darüber verloren. Auch in der Beziehung hatte er sie aus seinem Leben ausgesperrt wie eine x-beliebige Fremde. Im Grunde genommen besaß sie nichts von ihm, nicht mal sein Vertrauen. Dabei hatte sie ihm alles gegeben, ihre ganze Liebe, Kraft und Fürsorge. Sie wollte ihm sogar ein Stück von sich selbst geben, einen Teil von ihrem Körper. So viel Heldenmut, so viel Liebe, und am Ende war das alles umsonst: zerronnen, zerbröselt und zerbrochen …
Wie hatte sie um diesen Mann gekämpft. Und auf welche Weise dankte er es ihr? Er trat ihre Liebe mit den Füßen. Dabei dachte sie immer, dass sie alles richtig machen würde. Trotzdem gab er ihr ständig das Gefühl, eine herrschsüchtige Glucke zu sein. Wie er das immer hinbekam, war nicht zu fassen.
Irgendwann verpasste sie seinem Beerdigungsstrauß einen Fußtritt und ging ins Schlafzimmer, um sich dort mit dem Gesicht nach unten aufs Bett zu legen und über ihr Leben nachzudenken.
Dann fing sie an zu weinen. So wie’s aussah, war ihr Traum von einer glücklichen Beziehung geplatzt, zum zweiten Mal schon. Gut möglich, dass es aus und vorbei war, von einem Tag auf den anderen und für immer.
Es dauerte eine Weile, bis sie sich halbwegs beruhigt hatte. Dann zerrte sie ihren Rollkoffer unterm Bett hervor, öffnete den Kleiderschrank und raffte einen Haufen Klamotten zusammen. Dabei blieb ihr Blick einen Moment lang an dem nachtblauen Hochzeitsdirndl mit dem tollen Ausschnitt und der weißen Schürze hängen. Doch dann kniete sich auf das vollgestopfte Gepäckstück, schnappte die Schlösser zu und verließ das Schlafzimmer und die Wohnung.
Sie wollte nur noch weg.
Vielleicht für immer.
Kapitel 11: Vor viereinhalb Jahren
„Halt mich fest, René, halt mich!“, schrie Claudia und krallte sich an der Reling der wild hin und her torkelnden Gondel fest.
„Das würde ich ja gern, aber iiich kaaann niiiicht …“, rief er und brach jäh ab, weil er selbst wie ein Spielball umhergeworfen wurde. Es war fast
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