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Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Titel: Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Steen
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ein gewaltiges Pendel hin und her. Außerdem war die Wiese, die der Mann sich ausgesucht hatte, definitiv nicht für eine Landung geeignet, denn sie wurde von zahlreichen Gräben und Zäunen durchzogen. Wenn sie den Heuschober dahinten rammten, konnte das fatale Folgen haben. Und leider befanden sie sich weiter im freien Fall und trieben unaufhaltsam auf ihn zu. Es schien fast unmöglich zu sein, ihn noch zu umschiffen.
    Claudia hatte das Gefühl, an etwas durch und durch Surrealem teilzunehmen. Passierte das wirklich? Oder träumte sie nur, dass es passierte? Wie auch immer: Sie würde nie wieder in einen Ballon steigen, für keinen Mann der Welt. Das sah doch ein Blinder, dass hier was schieflief.
    Das wurde inzwischen wohl auch dem Piloten klar, denn er forderte die Passagiere auf, in die Hocke zu gehen und sich mit Händen und Füßen an der Reling festzukeilen. An seinen hektisch glänzenden Augen und der Art, wie er sich den Schweiß von der Halbglatze wischte, erkannte Claudia, dass gleich etwas Ungutes geschehen würde.
    Da passierte es auch schon: Sie knallten mit Schmackes auf den Boden, wurden von dem Ballon noch mehrere hundert Meter mitgeschleift, walzten etliche Stacheldrahtzäune platt, rumsten durch mehrere Gräben, schürften jede Menge Erde, Matsch und Gras hoch und blieben zum Schluss auch noch an der Seitenwand des Heuschobers hängen, sodass der Flechtkorb vollständig umkippte und sämtliche Insassen auf- und übereinanderpurzelten. Claudia kam es vor, als würde sie aus einem entgleisenden Zug gekippt werden. Sie schrie die ganze Zeit „Nein, nein, nein!“ oder „Oh mein Gott!“ und wusste bald überhaupt nicht mehr, wie ihr geschah. René und den anderen Fahrgästen erging es ebenso. Man hörte Holz splittern und krachen, Leute brüllten sich die Seelen aus dem Leib, Metallflaschen schlugen polternd und klackend aufeinander … Es war ein Riesengetöse!
    Kurz nachdem der Albtraum endlich vorbei war, traf die Bodenmannschaft ein, die mit dem Piloten während der Fahrt in Kontakt gestanden hatte. Gemeinsam checkten die Männer die Lage, telefonierten einen Krankenwagen herbei und beruhigten den aufgebrachten Besitzer des Heuschobers, der natürlich sofort angerannt kam, sich über die Schlagseite des Gebäudes aufregte und ihnen mit der Polizei drohte. Danach ließen sie die geschockten Passagiere das mittlerweile schlaffe Stoffgebilde zusammenfalten und mit der demolierten Gondel und den Gasflaschen auf dem Pick-up verstauen.
    Claudia war schon von Berufs wegen eine Vielfliegerin und hatte in den vergangenen Jahren manche Turbulenz erlebt und durchlitten. Aber noch niemals war sie so froh gewesen, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, wie in diesen Minuten.
    Apropos Füße …
    Als Renés gebrochener Mittelfußknochen später im Kreiskrankenhaus eingegipst wurde, hielt er sich wacker. Eine Bruchlandung und sechs Wochen Gips waren zwar nicht das, was er sich unter einem amüsanten Ausflug vorgestellt hatte, aber die Sache hatte sich trotzdem gelohnt. Für ihn war ein Lebenstraum in Erfüllung gegangen: Jetzt konnte er Punkt 7 auf seiner Löffelliste abhaken.
    In der nächsten Zeit hatte Claudia alle Hände voll zu tun. Es gab Berichte zu schreiben, Kunden zu besuchen und umsatzmäßig etwas zu reißen. Schließlich arbeitete sie auf Provisionsbasis, und je mehr sie verkaufte, desto mehr verdiente sie.
    René dankte es ihr auf seine Art. Seit er damals wütend, verzweifelt und zerfressen vor Reue die Herbergen der Stadt durchkämmt hatte und schließlich mit dem ramponierten Rosenstrauß in der Hand vor ihrer Hotelzimmertür stand, schien ihr gemeinsamer Alltag nur noch aus romantischem Liebesgeturtel, intensiven Gesprächen und gemütlichen Fernsehabenden zu bestehen.
    Manchmal hatte er auch ein süß schlechtes Gewissen, weil er seinen Job an den Nagel gehängt hatte und Claudia seitdem auf der Tasche lag. Aber das konnte sie ihm jedes Mal wieder ausreden. Es sei wichtig für ihn, die Dinge auf seine Art zu tun, sagte sie immer, und er schien es ihr zu glauben und war für eine Weile beruhigt.
    Doch, Claudia freute sich, dass es wieder so gut zwischen ihnen lief und dass sie endlich Einblick in Renés Gedankenwelt bekam. Aber manchmal musste sie zugeben, dass es ihr schwerfiel, diese Veränderung auch anzunehmen und sich darüber zu freuen. So viel Nähe war sie gar nicht gewohnt, und sie fand sie ziemlich zeitraubend und anstrengend. Warum liebte sie bloß einen Mann, der jeden

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