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Der Tag, an dem uns Vater erzählte, dass er ein DDR-Spion sei.: Eine deutsche Tragödie

Der Tag, an dem uns Vater erzählte, dass er ein DDR-Spion sei.: Eine deutsche Tragödie

Titel: Der Tag, an dem uns Vater erzählte, dass er ein DDR-Spion sei.: Eine deutsche Tragödie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raufeisen
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„Centrum“-Warenhaus am Alexanderplatz. Der Alexanderplatz war die erste Anlaufstelle für die Alliierten, um von dort aus eine kleine Sightseeing-Tour zu unternehmen. „Touristen“ kaufen natürlich Souvenirs. Besonders beliebt war bei den Soldaten aber nicht der übliche Touristen-Nepp. Sie kauften häufig Fahnen. Wo erhielten sie schon sonst eine original DDR-Fahne, schwarz-rot-gold mit Hammer und Zirkel im Ährenkranz? Das war das beliebteste Mitbringsel und entsprechend voll war es an dem Stand im Warenhaus, wo diese Sachen verkauft wurden. Im Gedränge gelang es meinem Vater, so einen Zettel einem Offizier der amerikanischen Armee mit einem etwas höheren Dienstgrad zuzustecken. Der reagierte auch geistesgegenwärtig, ließ sich nichts anmerken, und nahm den Zettel unauffällig an sich. Nun hieß es warten und hoffen, dass eine Reaktion erfolgt, beziehungsweise, dass tatsächlich jemand zum vorgeschlagenen Treffpunkt erscheint. Wieder dieses Warten. Es zermürbte, mein Magen rebellierte in solchen Situationen immer ganz besonders.
    Aber diesmal klappte es! Als mein Vater eine Woche später, am 4. Juli 1980 im Restaurant „Sofia“ saß, erschien ein Amerikaner, der sich „Mark“ nannte und fast akzentfrei deutsch sprach. Er kam in zivil und entpuppte sich tatsächlich als Mitarbeiter des CIA. Sie sprachen nur kurz ab, sich zwei Stunden später unter konspirativen Bedingungen im „Lindencorso“, einem Hotel an der Ecke Friedrichstraße/Unter den Linden, zu treffen. Dann verließen beide getrennt das „Sofia“. Pünktlich zwei Stunden später sahen sie sich im „Lindencorso“ wieder. Mein Vater stellte sich vor und erzählte kurz, dass er zum Ministerium für Staatssicherheit gehöre, als Spion in West-Deutschland eingesetzt gewesen war und nun mit seiner Familie wieder zurück in den Westen wolle. Um überhaupt Interesse zu wecken, uns zu helfen, bot er natürlich Informationen über seine Tätigkeit als Spion an. Ein paar Häppchen gab er preis, damit die Amerikaner seine Glaubwürdigkeit überprüfen konnten. Aber bloß nicht zu viel, ehe wir nicht im Westen sein würden! Das Interesse der Amerikaner war tatsächlich sehr groß. „Mark“ versprach, den Fall mit seinen Vorgesetzten zu klären. Aber er bremste auch die Hoffnung meines Vaters: Damit eine Ausschleusung erfolgen könne, müsse grünes Licht von ganz oben, aus der CIA-Zentrale in Langley kommen. Mit dieser dennoch sehr hoffnungsvollen Nachricht kehrte mein Vater nach Hause zurück.
    Einen Monat später, am 5. August, erfolgte das zweite Treffen mit „Mark“, diesmal im Treptower Park. In diesem Park steht ein monumentales sowjetisches Ehrenmal mit einem riesigen Sowjetsoldaten, der ein Kind schützend auf dem Arm trägt. Dort war es immer sehr einsam, es gab kaum Spaziergänger, eine Bewachung der Anlage hielt die DDR auch nicht für nötig. Es gab dort zwar ein paar Nischen, aber insgesamt war es doch sehr übersichtlich, so dass man sehr gut sehen konnte, wenn sich Leute näherten. „Mark“ war nicht allein gekommen. Ein Kollege von ihm sicherte das Treffen ab; er sollte sofort warnen, wenn sich irgendwelche anderen Leute nähern. Alles wirkte sehr professionell auf meinen Vater. Und „Mark“ brachte gute Nachrichten mit: Es wäre alles geklärt, wir würden aus der DDR herausgeholt. Dazu würden wir Diplomatenpässe erhalten, um am Checkpoint Charlie, dem Ausländerübergang an der Friedrichstraße, die Grenze zu passieren. Unser Auto würde dazu passende Diplomatenkennzeichen erhalten. Unser großes neues Auto aus westlicher Produktion wäre eine gute Tarnung. Alles wäre geregelt. Sogar eine vorläufige Unterkunft in Berlin-Wedding sei vorbereitet, in der Scharnweberstraße. Dort sollten wir die ersten Tage verbringen. Die Papiere und Autokennzeichen sollten wir bei einem weiteren Treffen zwei Wochen später erhalten, dann sollte es sofort losgehen. Euphorisch brachte uns mein Vater die grandiosen Nachrichten. Sollte es jetzt wirklich soweit sein? So einfach? Kein Umweg über Ungarn, einfach so durch die Mauer? Wir trauten uns dennoch nicht zu feiern. Die Anspannung war zu groß.
    „Mark“ kam nicht. Zum entscheidenden Treffen erschien der CIA-Mann nicht. Unbegreiflich! Fast panisch ging mein Vater tagelang zur selben Zeit zum vereinbarten Treffpunkt, vielleicht hatte er sich ja im Tag geirrt. Dann steckte er einem amerikanischen Soldaten noch einmal einen Zettel zu, wo er um Wiederherstellung des Kontaktes mit

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