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Der Tag, an dem uns Vater erzählte, dass er ein DDR-Spion sei.: Eine deutsche Tragödie

Der Tag, an dem uns Vater erzählte, dass er ein DDR-Spion sei.: Eine deutsche Tragödie

Titel: Der Tag, an dem uns Vater erzählte, dass er ein DDR-Spion sei.: Eine deutsche Tragödie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raufeisen
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sprachlos auf dem Sofa und blickte raus, auf das Springer-Hochhaus.
    Mein Vater jedenfalls fasste diesen kleinen Vortrag sofort als eine Drohung auf: „Ob nun drei Jahre Knast im Westen oder drei Jahre in der DDR – eingesperrt werde ich auf jeden Fall. Nur in einem neutralen Land, z.B. in Österreich, würde mir nichts passieren.“
    „Die BRD würde einen Weg finden, dich aus Österreich in ihr Hoheitsgebiet zu bringen.“ Immer sagen sie „BRD“, nie „Bundesrepublik“ oder „Deutschland“! Wie der Schnitzler im Fernsehen, wie die Aktuelle Kamera, wie die Lehrer. Meine Kollegen und Schulkameraden sprechen immer nur vom „Westen“. Allein, wie sie es aussprachen, darin lag so viel Verheißung, aber auch Unwissen. Für mich geht es um meine Heimat.
    „Das ist ja wohl lächerlich. So eine große Bedeutung habe ich nicht. Meine Familie wird sich nie damit abfinden, hier weiterhin leben zu müssen“, erwiderte mein Vater auf den Versuch, ihm die Hoffnung Österreich auszureden.
    Er war inzwischen verzweifelt, weil er spürte, dass er gegen Gummiwände anrannte. Man merkte, dass er diese Situation nicht im Griff hatte. Er fühlte sich in die Enge getrieben. Einerseits von uns, weil das Ausharren in der DDR für uns die Katastrophe war. Andererseits stand er unter dem Druck der Stasi, der Betreuer, die ihrerseits keinerlei Kompromisse einzugehen bereit waren und zudem von meinem Vater erwarteten, dass er auch noch „positiv“ auf uns einwirken sollte. Wobei er innerlich auf unserer Seite war. Dieser Zwiespalt machte ihn nervös und aggressiv – wie ein gehetztes Tier. Das führte auch dazu, dass mit der Zeit seine Vorsicht und Diplomatie gegenüber der Stasi immer mehr nachließen, wenn er mit ihnen sprach.
    Er machte ja auch etwas sehr Gewagtes: Er zeichnete solche Gespräche manchmal auf, heimlich, ohne dass die Stasi, die Betreuer, etwas mitgekriegt haben. Was für ein Risiko! Warum hat er es auf sich genommen? Mit dem Wissen von heute vermute ich: Um die Stasi auf Versprechungen hinzuweisen, die sie später leugnen würden. Oder, um im Westen – wenn er denn jemals dahin käme – nachweisen zu können, dass er zwar Stasi-Spion gewesen war, dass sich seine Haltung jedoch inzwischen geändert hatte.
    Einen Monat später, am 6. Juni 1980, traf mein Vater die beiden „Willi“ und „Horst“ wieder, allerdings diesmal außerhalb unserer Wohnung in einem konspirativen Treffpunkt, (im Objekt „Alfred“, sagt heute die Stasi-Akte).
    „Hast du mit deiner Familie gesprochen?
    „Ich bin kein Stück weiter gekommen. Im Gegenteil. Meine Frau hat mir eine Erklärung mitgegeben mit der Bitte um Weiterleitung an die zuständigen Stellen.“
    Mein Vater hatte seine Familie wirklich nicht mehr so im Griff, wie die Stasi das von ihm erwartete. Das wurde ihm später immer wieder vorgehalten.
    „Berlin, den 5.6.1980
Charlotte Raufeisen
1080 Berlin
Leipziger Str. 48
    An
Das Ministerium
Für Staatssicherheit
    Erklärung
    Sie haben meinen Mann und mich vor 23 Jahren aus unserem Lebensbereich ohne meine Zustimmung und ohne mein Wissen über den wahren Grund herausgerissen. Mir war also die Entscheidungsfreiheit sowohl zu Beginn als auch am Ende unseres Lebens in der BRD genommen. … Erst nach einigen Jahren konnten wir unter diesen für uns beide sehr schweren Verhältnissen ein normales Leben in der Isolation von unseren Verwandten beginnen.
    Nach der Geburt unserer beiden Kinder (1960 und 1962) waren wir weiterhin gezwungen, ohne persönliche Kontakte zu unseren Verwandten, das ich für selbstverständlich gehalten hätte für ein Familienleben, ohne Kenntnis über die wahren Ursachen für die Situation, mit denen ich nie einverstanden gewesen wäre, in Hannover für uns und unsere Kinder eine neue Heimat aufzubauen, was uns dann dank des beruflichen Erfolges meines Mannes auch bald gelang. Der Beruf meines Mannes ist Geophysiker und nicht, wie man mir weismachen will, Offizier der Staatssicherheit der DDR, denn wir haben unser Familieneinkommen aus seiner Tätigkeit als Geophysiker bestritten und nicht von den Zuwendungen, die er für seinen Auftrag aus der DDR erhielt, der für die Existenz unserer Familie eine ungeheuerliche Gefahr darstellte und sich jetzt auch als solche erwiesen hat.
    Nun bietet man uns nach 23 Jahren, nachdem unsere Familie durch Verrat ihre Heimat verloren hat, der Auseinanderfall begonnen hat und weitergehen wird, nach Verlust aller Freunde, Bekannten und einer normalen Existenz,

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