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Der Tag, an dem uns Vater erzählte, dass er ein DDR-Spion sei.: Eine deutsche Tragödie

Der Tag, an dem uns Vater erzählte, dass er ein DDR-Spion sei.: Eine deutsche Tragödie

Titel: Der Tag, an dem uns Vater erzählte, dass er ein DDR-Spion sei.: Eine deutsche Tragödie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raufeisen
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Gefährdung der Berufschancen durch Verlust eines Jahres in der Berufsausbildung bei unserem Sohn Michael und der Vernichtung des Lebenszieles von Thomas, hier ein Leben an, das mich an die Nachkriegsjahre erinnert. … Viele Lebensmittel, die für uns als selbstverständlich galten, sind hier nie erhältlich.
    Das für uns Unerträglichste ist das Verbot, Urlaubsreisen zu unternehmen, die mit unseren Interessen übereinstimmen.
    Ich weigere mich anzuerkennen, dass unsere Familie ohne unsere Zustimmung in eine Situation versetzt wird, die weder mit unseren persönlichen Bedürfnissen noch mit unseren bisherigen jahrzehntelangen Lebensgewohnheiten im Einklang stehen. Es entspricht unserer Lebensauffassung, selbst über unsere weitere Lebensgestaltung bestimmen zu können. … Ich finde es ungeheuerlich, dass wir dafür auf so unmenschliche Weise von einem Staat bestraft werden, für den mein Mann fast 22 Jahre gearbeitet hat. …
    Hinzu kommt noch als besondere Ungeheuerlichkeit, dass wir uns, trotz anfänglicher Versprechungen auf Beibehaltung der bisherigen Lebenshaltung, nun hier praktisch als Gefangene ohne rechtlichen Schutz für uns sehen. … Es gibt für uns also kein Recht auf Durchsetzung der Rentenansprüche, die schwer erarbeitet wurden und unser persönliches Eigentum sind. Hat die DDR das Recht, uns dieses Eigentum zu nehmen?
    …
    Wenn wir jetzt die Ausreise nach Österreich beantragt haben, so ist das die Folge der Vernachlässigung der Lebensinteressen unserer Familie und für uns die z.Z. einzige uns noch verbleibende Möglichkeit, unser Recht auf Selbstbestimmung zur Wiederherstellung unserer Familie zu verwirklichen, die nicht durch unsere Schuld zerbrochen ist.
    …
    Charlotte Raufeisen“
     
    Beim heutigen Lesen fällt auf, wie selbstbewusst meine Mutter argumentierte. Sie, die als Hausfrau ja immer hinter meinem Vater zurückgestanden hatte, die kaum je öffentlich auftrat, bittet nicht, wie es damals z.B. die Bürgerrechtler in der DDR in ihren Petitionen und offenen Briefen taten, sondern sie fordert. Sie war nach 23 Jahren wirklich im Westen angekommen gewesen.
    Ob ihr Schreiben tatsächlich die richtigen Stellen erreicht hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Aus einem internen Treffbericht, den ich aus den Stasi-Unterlagen habe, kann man entnehmen, was sie meinem Vater (dem „IM“) mitgeteilt haben:
    „Dem IM wurde Folgendes mitgeteilt:
    1. Als Offizier des MfS bekommt der keine Ausreisegenehmigung. Es ist erforderlich, dass seine Frau und sein Sohn sich engagieren.
    2. Jede Maßnahme von ihm als Offizier des MfS in Richtung Ausreise wird disziplinarisch geahndet und landet beim Militärstaatsanwalt.
    Wir sind dann nicht mehr in der Lage und auch nicht gewillt, ihn zu schützen.
    3. Sein Sohn Michael hat Verbindungen zu Stellen in der BRD (wahrscheinlich BND und BfV) aufgenommen, um ohne Auftrag durch den IM die Ausreise der Familie des IM in die Republik Österreich zu betreiben. Das sind unfreundliche Akte. Aus diesem Grunde erhält er Einreiseverbot in die DDR.“
    Die Drohungen wurden immer schärfer. Zum Glück wurde das Einreiseverbot meines Bruders relativ schnell aufgehoben, nachdem er zugesichert hatte, keine weiteren Kontakte zu westdeutschen Geheimdienststellen herzustellen.

Konfrontation und Hoffnung
     
    Im Frühjahr 1980 führten „Willi“ und „Horst“ auch mit mir ein besonderes Gespräch. Es ging nicht um meine Ausreise oder um meine Ausbildung. „Willi“ sagte zu mir:
    „Thomas, du wirst doch in diesem Sommer 18 Jahre alt?“
    „Ja, warum fragt ihr?“
    „Nun, alle jungen Männer, die in diesem Jahr 18 Jahre alt werden, werden aufgefordert, wegen der Musterung zum zuständigen Wehrkreiskommando zu gehen. Du musst also auch dahin, selbst wenn du, wie wir wissen, dort gar nicht registriert bist.“
    „Gut, wenn ich nicht registriert bin, vermisst mich dort auch keiner.“ Ich hatte überhaupt keine Lust, mich mustern zu lassen.
    „Ja, aber es ist doch gesetzlich vorgeschrieben, also ist das deine Pflicht.“
    „Ach, da gelten jetzt plötzlich die DDR-Gesetze für mich? Nur, wenn es um Pflichten geht, gelten die also? Ich werde dort bestimmt nicht hingehen!“
    „Wir versprechen dir, wenn du nicht zur Nationalen Volksarmee gehen willst, können wir dafür sorgen, dass du nicht eingezogen wirst.“
    „Wenn ich sowieso nicht eingezogen werde, brauche ich doch gar nicht erst zur Musterung zu gehen, besonders dann, wenn ich nicht einmal vermisst werde.“
    So ging

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