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Der Tag, an dem uns Vater erzählte, dass er ein DDR-Spion sei.: Eine deutsche Tragödie

Der Tag, an dem uns Vater erzählte, dass er ein DDR-Spion sei.: Eine deutsche Tragödie

Titel: Der Tag, an dem uns Vater erzählte, dass er ein DDR-Spion sei.: Eine deutsche Tragödie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raufeisen
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Spitzel ist! Dieses Misstrauen vergiftet im Knast jede Begegnung.
    „Oh, Mecki wird mich schon suchen.“
    „Wer ist Mecki, auch ein Häftling?“
    „Nein, ist ein Wärter, der Alte von heute Morgen. Wir kennen die richtigen Namen der Polizisten doch nicht. Jeder hat seinen Spitznamen. Es gibt „Mecki“, den „Italiener“, den „Huster“, „Komplexi“ und „Latschenpaule“ usw. Nicht zu vergessen den Stasi-Offizier, der „Onkel“ genannt wird.“ Die Stasi habe hier überhaupt das Sagen, auch wenn uns offiziell Strafvollzugsbeamte bewachten.
    Manche Gefangenen wurden öfter zum „Onkel“ gebracht, was natürlich sehr verdächtig war. Unter den Gefangenen gab es viele Spitzel, ihre Berichte liefen über diesen Stasi-Mann. Angeblich sollte jeder einmal von ihm zu einem Gespräch geholt werden, mir ist es allerdings erspart geblieben. Vielleicht haben sie sich gedacht, dass es nichts bringt, mich als Spitzel anwerben zu wollen.
    Der Erzieher „Neckermann“ war sozusagen der Betreuer der Strafgefangenen. Er verteilte die Post; ihn konnte man ansprechen, wenn man Probleme hatte. „Neckermann macht’s möglich!“ hieß es unter uns. Außerdem achtete er auf die Einhaltung der Hausordnung und sprach Disziplinarmaßnahmen aus.
    Die nächsten Tage waren sehr eintönig. Morgendliche Zählung, Freistunde, Sani-Horst bringt das Essen, Mittagessen, abendliche Zählung, Nachtruhe. Jeder Tag so eintönig wie der andere. Drei Tage später, gegen Abend, musste ich alle meine Sachen zusammenpacken. „Sie kommen jetzt in das Arbeitskommando I. Ab morgen wird gearbeitet!“ Endlich passierte irgendetwas. Hauptsache, die Langeweile würde beendet werden.
    Es ging zunächst ein Stockwerk höher. Gleich schräg gegenüber vom Treppenhaus stand eine Zelle offen, die Nummer 30. Beim Eintreten schlug mir dicker Qualm entgegen. Raucher! Das hat mir ja gerade noch gefehlt. Zwei Doppelstockbetten standen drin, eine Vierer-Zelle. Ich wurde mit mehr oder weniger großem Hallo empfangen. Die beiden unteren Betten waren belegt, eines der oberen könnte ich mir aussuchen. Unter mir lag Wolfgang, ein ziemlich großer Kerl, der eine Zigarre nach der anderen rauchte. Dabei redete er immer sehr laut; er war in der Zelle Wortführer und der „Stubenälteste“. Er hatte acht Jahre erhalten wegen des Sammelns und Verkaufs von verbotenen Orden, Ehrenzeichen und anderen fragwürdigen Souvenirs aus dem „Dritten Reich“. Die Polizei hatte bei ihm zwei Barkas B 1000 voll davon gefunden. Seine Reden passten zu seinen Geschäften. Eine tolle Gesellschaft ! Der andere war auch nicht viel besser. Horst war wegen irgendwelcher undurchsichtigen Geschäfte inhaftiert. Später wurde ich vor ihm gewarnt, da er wohl öfter mal zu Besuch beim „Onkel“ wäre. Aber schon vom ersten Moment kam er mir sehr verdächtig vor. Er hatte eine Sonderfunktion als Hausarbeiter, er reinigte den Flur auf unserer Etage. Deshalb war unsere Zelle immer offen, was ungewöhnlich war, denn im Allgemeinen wurden alle Zellen während der Freizeit verriegelt. Keiner sollte auf eigene Faust von einer Zelle in die andere gehen können. Horst war aber ständig unterwegs. Besonders intensiv soll er immer in der Nähe der Zellentüren geputzt haben, um alles mitzukriegen, was in der jeweiligen Zelle gesprochen wurde. Hoffentlich gibt es hier auch noch andere als diese komischen Vögel!
    Jeder Gefangene hatte einen schmalen Spind, um seine persönlichen Sachen unterzubringen. In meinem war noch viel Platz. Ich staunte aber nicht schlecht, was die anderen alles so besaßen: Kaffee, Zigaretten, Schokolade und Lebensmittel stapelten sich in deren Schränken.
    „Hier unten in der Kantine gibt es einen kleinen Laden. Da kann man das nötigste einkaufen. Zahnpasta, Shampoo, Kaffee, Zigaretten, Kekse, Lebensmittel und so was.“
    „Verdient man denn hier genügend Geld?“
    „Das kommt darauf an, wo man eingesetzt wird. Manche verdienen nur 20 oder 30 Mark, andere 150 bis 200. Das sind die, die am Leistungsband eingesetzt werden. Vielleicht kommst du auch da hin. Von dem ganzen Verdienst, den die Firma hier zahlen muss, gehen schon mal drei Viertel für Kost und Logis in diesem Luxushotel drauf. Der Rest wird noch mal aufgeteilt. Ein Teil geht in die Rücklage; das ist das Geld, das man bei der Entlassung aus der Haft bekommt. Das, was übrig bleibt, ist hier für den Eigenverbrauch bestimmt.“
    Abends erfolgte die letzte Zählung. Wolfgang als Stubenältester machte die

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