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Der Tag, an dem uns Vater erzählte, dass er ein DDR-Spion sei.: Eine deutsche Tragödie

Der Tag, an dem uns Vater erzählte, dass er ein DDR-Spion sei.: Eine deutsche Tragödie

Titel: Der Tag, an dem uns Vater erzählte, dass er ein DDR-Spion sei.: Eine deutsche Tragödie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raufeisen
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Die meisten Gefangenen rauchten eine ganze Menge, natürlich auch die im West-Kommando. Der Arbeitslohn reichte hinten und vorne nicht für die teuren Zigaretten. So haben sie viele Dinge, die sie in Westpaketen, bei Besuchen oder von der Vertretung der Bundesrepublik Deutschland erhielten, verkauft. Davon konnte ich ganz gut profitieren. Meine Eltern, die längst nicht so viel verdienten wie ich, konnte ich auch hin und wieder mit Kaffee oder Kosmetika ein bisschen unterstützen.
    Viel später, ich war schon ein Jahr in Bautzen, konnte ich meinem Vater auch einmal Zigaretten zukommen lassen. Die Lieblingsmarken meines Vaters hatte ich regelrecht bei Ingo bestellt, der sie dann nach einer gewissen Zeit tatsächlich lieferte. Ich kaufte je eine ganze Stange „Lord Extra“ und „Dunhill“ und schmuggelte sie mit Hilfe von Zellenkameraden in den Isolationstrakt. Diese Aktion hätte allen Beteiligten drei Wochen verschärften Arrest einbringen können. Aber alles Illegale ist ja auch ein kleiner Sieg über die Bewacher.
    14 Uhr, die Arbeit war vorbei, das Mittagessen auch. Die Haken an den Zellentüren fielen in die Ösen. Aber nicht für lange. Nach höchstens einer halben Stunde wurde die Radiomusik aus dem Lautsprecher durch ein „Fertigmachen zur Freistunde!“ unterbrochen. Irgendjemand schob von außen der Reihe nach die Haken der Türen zurück, wir zogen uns die Mäntel an (inzwischen war Winter), nahmen die Mützen und wurden von Walter aufgefordert, uns im Flur der Reihe nach aufzustellen. Zählen. „Ablauf!“ Die Treppe runter in einen der beiden großen Höfe. Ungefähr 40 Gefangene auf einmal. Die meisten gingen im Kreis herum und unterhielten sich. Manche joggten auch. Eine Runde waren keine 100 Meter. Im hinteren Hof befanden sich noch zwei Tischtennisplatten, an denen ich oft spielte. Das war auch immer eine gute Gelegenheit, sich eingehender mit anderen Leuten zu unterhalten, die nicht in der eigenen Zelle saßen. Ich erfuhr von ihnen mehr über Bautzen II. Einige konnten auch noch von den „alten Zeiten“ erzählen, denn es waren sehr viele Langstrafler hier, die 10 Jahre, 15 Jahre, lebenslänglich hatten – wie mein Vater. Einige kannten Rudolf Bahro, der hier wenige Jahre zuvor noch im Isolationstrakt gesessen hatte – wie mein Vater.
    In der Freizeit konnte ich neben der Freistunde viel lesen, Kaffee trinken, mich unterhalten, wobei letzteres natürlich immer von den jeweiligen Zellengenossen abhing. Es war zwar nicht mehr so riskant wie in der Untersuchungshaft, aber Vorsicht war dennoch geboten. Auch in Bautzen gab es einige merkwürdige Gestalten. Ich habe dort aber anders als in Hohenschönhausen von Anfang an gesagt, dass ich nicht allein im Gefängnis bin, dass auch meine Eltern da wären. Das zu verheimlichen wäre auch unmöglich gewesen, es hätte sich sowieso herumgesprochen.
    Kontakt zu meinen Eltern hielt ich in erster Linie über Briefe. Erlaubt waren drei Briefe im Monat. Ich regelte das so, dass ich jeweils einen Brief an meine Mutter, meinen Vater und meine Oma in Ahlbeck schrieb. Ein direkter Kontakt zu meinem Bruder in Hannover war immer noch nicht möglich. Die Briefe, die von meinem Onkel, meiner Tante und meiner Oma kamen, haben wir uns dann gegenseitig über die „Hauspost“ mit unseren eigenen Briefen zusammen weitergereicht.
    Meine Eltern und ich konnten uns eigentlich nur zwei Mal im Jahr für eine halbe Stunde treffen. Allerdings war es nach einiger Zeit möglich, dass wir unseren Besuch von draußen gemeinsam empfangen konnten. Natürlich war die Atmosphäre dabei reichlich gedrückt; wir durften uns nicht mal umarmen; immer saß ein Wärter dabei.
    Zu weiteren Freizeitaktivitäten gehörte das Fernsehen, natürlich nur DDR-Fernsehen, aber das war ich ja noch von Hannover gewohnt… Etwas anderes war in dem südöstlichen Zipfel der DDR sowieso nicht zu empfangen, wir befanden uns dort ja im „Tal der Ahnungslosen“, in das die westlichen Sender nicht reichten. Der Fernseher musste also nicht einmal für andere Sender gesperrt werden. Am Abend ab 19.30 Uhr zur Nachrichtensendung, der „Aktuellen Kamera“, durften wir in den Fernsehraum. Dann noch der 20 Uhr-Film. Danach ging es zur Nachtruhe in die Zelle. Es gab aber auch Einschränkungen: Krimis durften wir nicht sehen; dann fiel der Fernsehabend aus. Wahrscheinlich dachten sie, wir Knackis könnten uns dabei noch etwas abgucken. Gerne hätten wir auch die beste Satire-Sendung des DDR-Fernsehens gesehen,

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