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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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in Indien, nicht die Todesqualen des Jesuiten Ballard zu London noch das Exil des Jesuiten Varade – nicht einmal der Verlust dieses Rubins, der ein so kleiner Teil der ungeheuren Reichtümer war, die sie angehäuft hatten, nicht etwa zu ihrem persönlichen Gebrauch – sie lebten ja nüchtern und enthaltsam –, sondern um der Erfüllung ihres planetarischen Ziels zu dienen, der Ausrottung jeglicher Ketzerei in der Welt, sei sie heidnisch oder protestantisch.
    In diesem Schweigen schien es mir offenbar, daß Pater Guéret der Hauptmann dieser Soldaten Christi war, denn so beharrlich sie die Augen auf ihre Näpfe gesenkt hielten, glitten doch dann und wann verstohlene Blicke zu ihm hin, als erhofften sie sich eine letzte Ausflucht von seiner Klugheit. Worin sie nicht enttäuscht wurden.
    »Herr Stadtvogt«, sagte Pater Guéret mit sanfter Stimme, »unsere Gemeinschaft kann über die Herausgabe eines ihrer Besitztümer nicht entscheiden, ohne daß alle ihre Mitglieder sich beraten haben. Nun sind aber bei weitem nicht alle Patres zugegen. Einige sind auf Mission. Andere predigen in den Provinzen. Wieder andere befinden sich auf unseren Landsitzen. Wir müssen sie also erst zusammenrufen, was gute vierzehn Tage dauern wird.«
    Und in diesen vierzehn Tagen, dachte ich, überaus beeindruckt von der List dieses Aufschubs, wird das Hohe Gericht die Jesuiten entweder verurteilt haben, und sie sind den Weg der Verbannung gegangen – mit dem Rubin –, oder aber es hatsie freigesprochen, und der Rubin verschwindet im Nebel ihrer Unschuld.
    »Ehrwürdiger Pater«, entgegnete Lugoli, dessen Augen ich ansah, daß er den gleichen Gedanken hatte und daß er mit seiner Geduld langsam am Ende war, in mehr spöttischem als scharfem Ton, »wenn Ihr einer Versammlung aller Eurer Mitglieder bedürft, um über die Herausgabe – Herausgabe, sage ich ausdrücklich, und nicht Abtretung – eines Eigentums der Krone zu beschließen, werde ich Euch behilflich sein, indem ich Euch sogleich, alle und jeden, in die Bastille verbringen lasse. Worauf ich die in den Provinzen verstreuten Patres zusammenholen und Euch zugesellen werde, auf daß Ihr Eure Beratung abhalten könnt.«
    »Herr Stadtvogt«, sagte nun Pater Guéret wie entrüstet, »Ihr tyrannisiert uns.«
    »Oh, nein, ehrwürdiger Pater«, sagte Lugoli, indem er sich verneigte, »ich erfülle nur meine Amtspflichten, und glaubt mir bitte, daß ich untröstlich bin.«
    Doch konnte in seinem Gesicht von diesem Gefühl keine Rede sein, als Pater Guéret nun Guignard ein Zeichen machte, worauf dieser den Raum verließ und eine Minute darauf mit einem groben Jutesäckchen wiederkam, das mit einer Nadel verschlossen war. Lugoli öffnete es, tauchte die Hand hinein und zog den Rubin heraus, den er zwischen Daumen und Zeigefinger ins Licht hielt und der mir tatsächlich von schöner karmesinroter Farbe und fabelhafter Größe erschien. Doch hielt sich Lugoli mit dieser Betrachtung nicht auf, sondern beschloß seinen Besuch mit knappen Worten und einer Verneigung.
    »Ehrwürdige Patres«, sagte er, »der König wird mit Euch zufrieden sein.«
    Worauf sie, ohne zu antworten, mit so bekümmerten Mienen die Nasen hängen ließen, als trüge der Rubin in seinen schimmernden Facetten alles Blut ihres Herzens mit sich fort.
    Nachdem der Pförtner losgemacht und wir auf der Straße waren, eilten wir zum Pont au Change, wo Lugoli dem Juwelier den Rubin in die Hände legte, damit er prüfe, ob es der echte sei.
    »Ha! Monsieur«, sagte der Juwelier, als er ihn wiedergab, »dieser Stein ist unnachahmlich.«
    »Mein lieber Lugoli«, fragte ich auf dem Rückweg, »wem übergebt Ihr den Edelstein, da der König nicht hier ist?«
    »Genau das ist die Frage, die mich drückt«, sagte Lugoli, »denn ich gestehe, er brennt mich in meinem Wams, und ich möchte ihn schnellstens loswerden. Was meint Ihr, wem ich ihn anvertrauen könnte?«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich, den Schritt beschleunigend, so heftig schritt Lugoli aus. »Nach der Logik müßte es Herr von O sein, denn ihm unterstehen die königlichen Finanzen.«
    »Herr von O«, sagte Lugoli, das Gesicht verziehend, »leidet schon an der Blase. Ich möchte nicht, daß er auch noch am Stein leidet.«
    Worauf wir lachten.
    »Und Ihr wißt«, fuhr er fort, »daß in die Taschen des Herrn von O viel hineingeht, aber nicht viel herauskommt für den König.«
    »Nun, und wie wäre es mit Herrn von Cheverny?« fragte ich. »Er soll ein redlicher Mann

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