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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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undurchdringlichen Gesichts, bis vollkommenes Schweigen eintrat, und in dieser Reglosigkeit machte er wahrhaftig den Eindruck einer unangreifbaren Festigkeit, weshalb Fogacer von ihm auch gesagt hatte, er sei aus jenem Basalt der Auvergne geschaffen, mit dem man die Straßen pflastert.
    Dieses berühmte Plädoyer ist allbekannt – oder sollte es nicht besser Anklage heißen? –, und ich gedenke den Leser nicht zu langweilen, indem ich es hier voll und ganz wiedergebe, galoppiere ich in diesen Memoiren doch lieber, als daß ich artig Schritt gehe wie mit einem Damenzelter. Auch hat jader Autor Sorge getragen, seinen Redetext anschließend zu veröffentlichen, um das unhaltbare Stillschweigen zu brechen, welches die in Abwesenheit des Königs durch von O und Cheverny eingefädelte geschlossene Verhandlung bewirkt hätte. Sagen will ich aber, welchen Eindruck die Rede auf die Richter machte und welchen auf mich, weil es durchaus nicht der gleiche war. Denn sichtlich ließen jene Goldschmiede der Rhetorik sich von Arnaulds zündender Redekunst in einem Maße mitreißen, daß sie vor Begeisterung gleichsam über ihren Sitzen schwebten, und die Blicke, Mimiken und Zeichen, die sie untereinander austauschten, bekundeten eine leidenschaftliche Bewunderung, die mit jedem Augenblick wuchs.
    Was mich anging, der vor allem ja nach der Nützlichkeit fragte, so nahm ich die Dinge kühler und wußte mehr zu schätzen, was der Redner sagte, als wie er es sagte. Gewiß dachte ich, während ich ihm lauschte, dieser Mann ist ein Advokat von sehr hohem und einfallsreichem Talent, der von klein auf im Lateinischen zu Hause ist und seinen Cicero aus dem Effeff beherrscht. Hier ahmte er dessen Standpauke gegen Rullus nach, dort seine Philippika gegen Verres. Er brillierte mit mannigfaltigsten Anspielungen, Vergleichen und Metaphern. Die Jesuiten nannte er »Kriegsfanfaren, Fackeln der Verführung, Wirbelwinde, die keinen anderen Zweck haben, als Frankreich mit Sturm und Verwüstung zu überziehen«. Aber ich gestehe, schöne Leserin, daß ich an Arnaulds Stelle auf die Fanfaren und die Fackeln verzichtet hätte, die Wirbelwinde hätten genügt.
    Wesentlich mehr überzeugte und ergötzte mich unser Advokat, wenn er beißende Ironie und Sarkasmus aufbot: »Die Jesuiten«, sagte er, »kamen nach Frankreich nicht mit offenem Visier. Dann nämlich wären sie gleich im Keim erstickt worden. Nein, sie nisteten sich in den Nebenkämmerchen unserer Universität ein, verlegten sich lange aufs Lauern und Lauschen, bis sie sich mittels Empfehlungsbriefen aus Rom an jene heranschleichen konnten, die in Frankreich Größe und Gunst genossen und die es nach Kredit und Ehre in Rom verlangte, eine Sorte Leute, die für die Dinge des Reiches seit je verheerend waren.« (Diese Seitenhiebe, Leser, gegen den Herzog von Nevers, den Herzog von Epernon, Herrn von O, Cheverny und andere Jesuitenfreunde entzückten mich geradezu: welch seltene Kühnheit bei einem Bürger des Amtsadels, diehohen Herren anzugreifen, auch wenn er sie nicht beim Namen nannte.)
    Starke Worte fand Arnauld ebenfalls, um den Einfluß der Jesuiten auf die Jugend anzuprangern, indem er zunächst mit Staunen feststellte, daß die Franzosen so weit gelangt seien, einen jeden als schlechten Katholiken anzusehen, der seine Kinder nicht bei den Jesuiten in die Schule schickte. Aber was werde diese Kinder von den Jesuiten denn anderes gelehrt, als den Tod ihrer Könige zu wünschen? Die Patres machten sich die Tatsache zunutze, daß sehr junge Menschen den Irrtum schlürften wie ihre Morgenmilch, und verabreichten ihnen das Gift, in Honig gehüllt. »Nichts«, fuhr Arnauld fort, »ist so einfach, als schwachen Geistern jede Liebe einzupflanzen, die man will. Und nichts ist schwieriger, als ihnen diese wieder auszureißen.« Worte, deren ich mich mit Erschrecken entsann, als der junge Chatel seinen Anschlag auf das Leben des Königs machte.
    Nachdem er die Gier der Jesuiten nach irdischen Gütern gegeißelt hatte und ihre verschlagenen Methoden, diese zu erlangen, wies Arnauld die Richter zum Schluß darauf hin, daß die Universität ja nicht den Tod des Sünders verlange, sondern nur seine Ausweisung, und er spottete über die gelinde Strafe: »Wenn Ihr, meine Herren, Euch erhebt, um Euren Spruch zu fällen, so vergeßt nicht, welch süße Strafe die Verbannung für jene sein wird, die so große Reichtümer in Spanien, Italien und Indien 1 besitzen.«
    Besonders bei letzterem wurde gelächelt,

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