Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
sein.«
»Das ist er. Aber er ist auch der Liebhaber von Gabrielles Tante.«
»Und?«
»Und – glaubt Ihr, daß er seiner Geliebten verheimlichen wird, im Besitz des größten Rubins der Welt zu sein? Und glaubt Ihr, daß besagte Geliebte es ihrer Nichte Gabrielle nicht sagt? Und glaubt Ihr, daß die schöne Gabrielle, um in seinen Besitz zu gelangen, nicht bei Tag und bei Nacht – bei Nacht vor allem – den König belagern wird? Wahrhaftig, dagegen dürfte die Belagerung von Laon ein Kinderspiel gewesen sein! Offen gesagt, Siorac, ich will den Edelstein den Jesuiten nicht aus den Soutanen gezogen haben, damit er den Busen einer Mätresse schmückt.«
»So schön er auch ist!«
»Der Rubin oder der Busen?«
»Beide.«
SIEBENTES KAPITEL
Pierre de Lugoli übergab das Kronjuwel dem Gerichtspräsidenten Augustin de Thou, von dem man sicher sein konnte, daß ein ihm zu treuen Händen anvertrautes Gut nicht in den Taschen seines Wamses sich verirren noch etwa in jesuitische Soutanen zurückfinden oder gar einen schönen Busen zieren werde. De Thou war kein Raffhals, kein Jesuitenfreund und kein ungetreuer Ehgemahl; er war ein Ehrenmann, der im Interesse des Staates dachte und handelte, und ein Mann von eherner Königstreue. Mit einem Wort, ein Franzose von altem französischem Schrot und Korn, keiner dieser spanisch- und papsthörigen Franzosen, von denen wir bis heute so viele unter uns haben, trotz der wiederholten Niederlagen der Liga.
Die geschlossene Verhandlung der Jesuitenfrage hatte am 12. Juli 1594 im Gerichtshof statt, und in meiner Kostümierung als einer der Vogteisergeanten oblag mir die Aufgabe, etliche Herren vom Hofe abzuweisen, die niemals auf die Idee verfallen wären, an einer solchen Verhandlung teilzunehmen, wäre sie öffentlich gewesen, die aber von dem Augenblick an, da sie es nicht war, sich etwas zu vergeben meinten, wenn sie nicht versucht hätten, sich hineinzudrängeln. Es mochten ihrer dreißig sein, welche abzuwehren die Sergeanten und ich alle erdenkliche Mühe hatten, beschimpften sie uns doch als »Rü pel «, »Flegel«, »Strolche«, »Gesindel«, »Unrat« und drohten, uns die Ohren abzuschneiden, uns Tritte in den Hintern zu versetzen, uns aufzuspießen, worauf wir jedoch keinen Ton erwiderten und sie nur Seit an Seite, in geschlossener Front, ohne jegliche Schonung aus dem Saal schoben. Das pikante war nun, daß ich dabei für eine Weile Nase an Nase oder eher Brust an Brust mit meinem Schwager Quéribus geriet, der mich, ohne mich zu erkennen, greulich beschimpfte und dem ich vor Entrüstung über sein Benehmen heimlich einen Knopf vom Wams riß, wohl wissend, daß nichts ihn so treffen werde wie ein solcher Verlust. Der Knopf, Leser, war nämlich eine ovalePerle in einer Silberfassung, und als ich ihm diesen am nächsten Tag wiedergab, rieb ich ihm seine unverschämte Aufführung hübsch unter die Nase.
Endlich war die Tür hinter den Störenfrieden geschlossen, und der Prozeß begann mit einer lateinischen Rede des Rektors der Universität, Jaques d’Amboise, die wenig Aufmerksamkeit fand, nicht etwa, weil die Mitglieder des Gerichtshofes kein Latein verstanden hätten, sondern weil alle viel zu begierig auf das Plädoyer Antoine Arnaulds warteten, um den Ausführungen des Rektors Gehör zu schenken, der übrigens durchaus Angriffe gegen die Jesuiten richtete, viel härter aber noch diejenigen unter seinen Kollegen geißelte, die sich für sie eingesetzt hatten.
»Jene Überläufer aus unseren Reihen«, sagte der Rektor im Ton grenzenloser Verachtung, »verdienen es nicht, daß wir sie als die Unseren betrachten.«
Endlich erhob sich Antoine Arnauld, und die Versammelten, die während der Rede des Rektors sich in diesen und jenen privaten Plaudereien ergangen hatten, verstummten plötzlich, spannten das Ohr und hingen mit den Augen an dem Anwalt, der im Parlament nicht nur hohe Achtung genoß, sondern außerdem als auvergnatisches Pfropfreis einer angesehenen Pariser Bürgerfamilie sozusagen einer der Ihren war und in allen Tugenden und Talenten glänzte, die der Stolz unseres Amtsadels waren. Überdies erheischte seine Erscheinung schon an sich Aufmerksamkeit, und als er in seiner langen Advokatenrobe dastand, fand ich ihn ebenso gedrungen wie in seinem Kabinett, aber doch noch viel beeindruckender mit seinen flammenden schwarzen Augen und seiner machtvoll erhobenen Stimme. Übrigens verharrte er, bevor er den Mund auftat, erst einige Sekunden still und
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