Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
dem Sprecher einen mißbilligenden Blick zu und verkniff die Lippen.
»In dem Falle, ehrwürdige Patres«, sagte Lugoli, »bin ich genötigt, Euch hier festzuhalten und Eure Zellen eine nach der anderen zu durchsuchen.«
Obschon die Patres sich befleißigten, ruhig, stumm und undurchdringlich zu bleiben und das Gesicht auf ihren Suppennapf zu senken, war es mir, als ginge bei diesen Worten ein Beben durch ihre Reihen, und Lugoli muß es ebenso empfunden haben, denn anstatt das herrschende Schweigen zu brechen, wie er es anfangs getan, ließ er es nun dauern. Und damit irrte er nicht, denn eine gute Minute nach diesem Warten, einer Minute, die kurz ist auf dem Papier, die aber in der zwischen den Geistlichen und uns herrschenden Spannung sehr lang war, hob ein anderer Pater den Kopf und sprach; später erfuhr ich, daß er dies in einer für ihn höchst dramatischen Lage tat, und sein wenn freilich auch verdientes böses Geschick ließ mich nicht fühllos, trotz des Grolls, den ich gegen ihn hegte, weil er versucht hatte, zwischen mich und meine Herzogin einen Keil zu treiben. Besagter Jesuit – Guignard nämlich, um ihn endlich beim Namen zu nennen – war so dunkel an Haut und Haar, daß er schon beinahe maurisch wirkte, und hatte schwarze, vor Geist blitzende Augen, starke Gesichtszüge, doch nichts Niedriges in der Physiognomie.
»Herr Stadtvogt«, sagte er mit tiefer, wohlklingender Stimme, nachdem er Pater Guéret mit einem Blick befragt hatte, »der jenige , der soeben sprach, tat es in aller Unschuld. Er weilte 1590 noch nicht unter uns, als unsere Gesellschaft einen Rubin unbekannter Herkunft von einer Frau erwarb, die sich als Witwe mit vielen Kindern und gänzlich unbemittelt ausgab. Der Handel, den wir derzeit schlossen, wurde von wohltätiger Intention geleitet, und unser gutes Gewissen in dieser Sache kann nicht in Abrede gestellt werden.«
»Das ist auch nicht meine Absicht«, sagte Lugoli mit seiner kalten und gewissenhaften Höflichkeit. »Aber da Ihr nun aus meinem Munde die unstreitige Herkunft des Rubins erfahren habt, könnt Ihr ihn nicht widerrechtlich behalten, denn gemäß dem Edikt Franz’ I. vom 29. Januar 1534, jedweden betreffend, der Raubgut annimmt und verhehlt, ereilen diesen dieselben Strafen wie Diebe und Räuber, wenn er die Herausgabe gestohlener Güter verweigert.«
Das Schweigen, das auf diese Worte folgte – die um so bedrohlicher klangen, als sie von einer beherrschten Stimme gesprochen wurden –, war drückend. Und an einem ungewollten Zusammenzucken, das der Reglosigkeit der Geistlichen folgte, sah ich, daß sie im Begriff waren, das Gefühl ihrer Unantastbarkeit einzubüßen, zumal die Ankündigung eines zweiten Prozesses um den berühmten Rubin den Ausgang der bevorstehenden geschlossenen Verhandlung ungünstig beeinflussen mußte.
»Herr Stadtvogt«, sagte Pater Guéret, das edle Haupt ein wenig zur Seite geneigt, »wenn ich mich recht entsinne, hat unsere Gesellschaft für diesen Rubin fünftausend Ecus bezahlt, und da wir ihn guten Glaubens erwarben, scheint es mir rechtmäßig, daß wir durch Herrn von O aus dem Schatz Seiner Majestät für diese Ausgabe entschädigt werden, wenn wir uns von dem Edelstein trennen.«
»Ehrwürdiger Pater«, sagte Lugoli, immer gleichermaßen höflich, »derjenige Eurer Gesellschaft, der den Handel mit jener Witwe schloß, war reichlich naiv, nicht ernstlich nachzuforschen, woher dieser Rubin stammte, der größte, den man jemals sah. Dafür jedoch bewies der Pater große Schläue, als er das Juwel mit einem Viertel seines Wertes bezahlte. Ihr büßt für diese Einfalt jetzt ebenso wie für diese Schläue, eine so unangemessenwie die andere. Wenn Herr von O Euch Eure Ausgaben erstatten will, so ist das seine Sache. Es ist aber in erster Linie Sache Seiner Majestät, welche sich schwerlich bereit finden wird, ihr Eigentum zurückzukaufen. Doch wie immer der eine oder der andere entscheiden mag, muß dieser Rubin mir augenblicklich ausgehändigt werden.«
Diese Worte des Stadtvogts hatten dieselbe Wirkung wie alle vorherigen: tiefes Schweigen. Und nichts war beeindruckender als die beharrliche Stummheit dieser etwa dreißig Geistlichen, welche den Rücken unterm Sturm strafften, sicher, daß er endigen werde und daß ihr vorübergehendes Scheitern nur den Weg ihres künftigen Triumphes pflastern werde, dessen sie gewiß waren, weil sie Gott dienten. Gemessen an dieser Elle, zählte nichts wirklich, nicht das Martyrium ihrer Patres
Weitere Kostenlose Bücher