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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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»Dann würde ich sie mit verscheuchen! Ein schöner Spaß! Trotzdem, ich fürchte, sie werden mich erkennen.«
    »Und ich wette, es geht gut! Ein Sergeant der Vogtei ist für hohe Herren nicht mehr als ein Schemel oder eine Tapisserie. Wollt Ihr den Beweis? Seid morgen früh um sieben Uhr hier. Dann gebe ich Euch einen Sergeantenanzug in Eurer Größe, und wir gehen gemeinsam Leute besuchen, die mich nicht allzugern sehen werden. Bitte, kommt, Siorac! Ich kann Euch versichern, Ihr werdet es nicht bereuen!«
    Hiermit lachte er augenzwinkernd und tat so geheimnisvoll, daß ich einwilligte, war es mir im Grunde doch gar nicht unrecht, die Kostümierung zu erproben, bevor ich mich damit ins Gericht wagte.
    Als ich mich am hellichten Morgen wieder zur Rue Tirecharpe begab, legte ich mein Büffelwams und meinen ältesten Hut an und verzichtete auf mein Gefolge, denn ich dachte mir, wenn der Vogt die Liga ausspionierte, so spionierte diese wiederum, wer bei ihm aus und ein ging.
    Lugoli schien mich hinter der Haustür schon erwartet zu haben, so schnell zog er mich zu einer Kammer, wo ich meine Sergeantenkleidung ausgebreitet liegen fand, in die ich sogleich schlüpfte, nicht ohne daß Lugoli und ich großen Spaß daran hatten und er mir einige gute Ratschläge gab.
    »Siorac«, sagte er, »legt Eure schönen Ringe ab, und versteckt Eure gepflegten Hände in diesen Barchenthandschuhen, wollt Ihr Euch nicht verraten. Wechselt auch Eure Stiefel gegen diese gröberen aus. Und den Hut …«
    »Es ist mein schlechtester«, sagte ich.
    »Trotzdem sieht man, daß er einmal sehr schön war. Nehmtden grauen Filz hier. Nein! Ihr dürft ihn doch nicht so schräg aufsetzen wie ein Kavalier. Stülpt ihn Euch gerade auf wie ein Bauer, der frisch vom Land kommt. Und wenn Ihr geht, dann mit schwerem Tritt, und setzt die Füße auswärts.«
    »Ha! Das kann ich«, sagte ich lachend, »das habe ich als Tuchhändler gelernt.«
    »Ja, aber Ihr dürft nicht Brust und Bauch vorstrecken wie ein Kaufmann. Ein Sergeant, der für gewöhnlich direkt aus seinem Dorf gekommen ist, geht mit vorgebeugten Schultern, wie wenn er Egge oder Pflug zieht. Aber meine Sergeanten stehen sicherlich schon vor der Tür. Ich denke, Ihr seid Komödiant genug, um ihre körperliche Haltung sogleich vollkommen zu kopieren. Und nun, Siorac«, setzte er mit einem Blick auf seine Uhr hinzu, »ist es Zeit aufzubrechen, wenn wir unsere Vöglein im Nest antreffen wollen.«
    Tatsächlich standen sechs Sergeanten mit geduldiger, stumpfer Miene vorm Haus, bewaffnet nur mit einem Degen, und ich betrachtete sie neugierig, um ihren schwerfälligen Gang nachahmen zu können. Wie ich sah, hatten sie alle rötere Nasen und Gesichter als ich, was meines Erachtens aber mehr von der göttlichen Flasche kam als von der Sonne, und ich nahm mir vor, für den Prozeßbeginn ein wenig Rouge aufzulegen, um ihnen ähnlicher zu sein.
    »Siorac«, sagte Lugoli, »bitte kommt an meine Rechte, und laßt Euch aufklären, um welche Affäre es jetzt geht. Im Juni 1590, während der Belagerung, befahl Nemours, zugunsten der Armen von Paris einen Teil des Kronschatzes von Saint-Denis zu verkaufen, und so wurden ein großes Kruzifix aus massivem Gold und eine kaum minder schwere Krone zu Geld gemacht, was knapp tausend Ecus erbrachte und für so zahlreiches Volk eine armselige Hilfe war. Indessen war besagte Krone mit kostbaren Edelsteinen besetzt, die, Ihr werdet es nicht glauben, auf dem Transport verschwanden, darunter ein sehr großer Rubin von unschätzbarem Wert. Wie ich aus sicherer Quelle erfuhr, befindet er sich in gewissen Händen, denen ich ihn an diesem schönen Morgen gern entreißen möchte.«
    »Und zu einer so gefährlichen Unternehmung«, fragte ich verdutzt, »nehmt Ihr nur diese paar schlecht bewaffneten Sergeanten mit?«
    »Die Hände, von denen ich sprach«, sagte Lugoli mit verschmitztemLachen, »sind unbewaffnet, auch wenn sie nicht ungefährlich sind. Aber«, setzte er in neckendem Ton hinzu, »mehr wird nun nicht verraten.«
    Damit verstummte er, und wir setzten den Weg schweigend fort.
    »Darf ich fragen, Lugoli«, begann ich nach einer Weile wieder, »woher Ihr wißt, daß besagter Rubin sich in besagten Händen befindet?«
    »Vier Jahre nachdem er geraubt worden war, wollten diejenigen, die ihn haben, ihn an einen Juwelier vom Pont au Change verkaufen, und das war gestern. Der Juwelier prüfte den Stein unter der Lupe, erkannte den Rubin als ein Kronjuwel von Saint-Denis, und

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