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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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wußte man doch, wie wenig die Jesuiten den Konquistadoren darin nachstanden, die armen Eingeborenen bei den Füßen zu packen und kopfunter zu schütteln, bis sie ihr Gold ausspien.
    Als Pierre de l’Etoile am nächsten Tag seine Lisette besuchen kam, verzog er den Mund über das Plädoyer des Maître Antoine Arnauld, nannte es »samt und sonders gewaltig übertrieben« und meinte, hätte der Advokat maßvoller und weniger leidenschaftlich gesprochen, wäre ihm der Beifall all jener sicherer gewesen, die, wie auch er, die Jesuiten nicht liebten und »sie dorthin wünschten, wo der Pfeffer wächst, damit sie die Heiden bekehrten«.
    Ich sage es rundheraus: Diese Meinung teile ich nicht. Was mir an Arnaulds Anklage nicht gefiel, war ja gerade das, womit er die Gerichtsherren entzückte: Geschwollenheit und Rhetorik. Was aber die Mäßigung betraf, die L’Etoile vermißte, so frage ich, wie man denn wohl maßvoll über eine Bruderschaft sprechen sollte, die eindeutig den Tod eines Königs bezweckte, der die Spanier aus Frankreich verjagt hatte und der alles tat, unserem Land wieder Wohlfahrt und religiösen Frieden zu bringen.
    Ich kann nur sagen, daß ich Arnaulds Ausführungen in allen Punkten bewunderungswürdig fand. Wenige Monate danach aber fand ich sie prophetisch, und heute, ach, heute kann ich sie noch immer nicht lesen, ohne daß mir ein Schauder über den Rücken läuft und ich bis ins Mark erbebe.
    Arnauld hatte sich auch an Henri Quatre gewandt, als wäre er im Raum zugegen.
    »Sire«, hatte er gesagt, »es geht nicht an, daß Ihr diese Verräter, diese Mörder mitten in Eurem Königreich duldet … Der Spanier ist ein geduldiger und hartnäckiger Feind, der läßt seine Hoffnungen und Absichten auf Euren Staat nur mit dem Leben. All seine Machenschaften sind bislang gescheitert oder haben sich als zu schwach erwiesen. So bleibt ihm als letztes Mittel doch nur mehr, Euch durch seine Jesuiten ermorden zu lassen … Sire, Ihr habt noch genug offene Feinde in Frankreich, in Flandern und in Spanien zu bekämpfen. Schützt Eure Flanken vor diesen hauseigenen Mördern! Weist Ihr sie aus, fürchten wir die übrigen nicht! Läßt man sie aber unter uns, Sire, können sie Euch jederzeit neue Mörder schicken, die sie zur Beichte vernehmen und zur Ermutigung kommunizieren wie Barrière, und nicht immer können wir wachen.«
     
    »Moussu«, fragte Monsieur de La Surie, als ich ihm über die flammende Diatribe Antoine Arnaulds berichtet hatte, »wie verteidigten sich die Jesuiten?«
    »Mit aller scheinheiligen Demut. Sie seien, sagten sie, doch bereit, dem König als ihrem natürlichen und legitimen Fürsten den Treueid zu leisten. Sie würden künftig die Reglements der Universität befolgen. Und sich auch nicht mehr in die öffentlichen Angelegenheiten einmischen.«
    »Ach, die guten Apostel!«
    »Was das Vergangene anbelange, sei es jedoch nicht gerecht, sagten sie, eine ganze Körperschaft wegen eines einzigen zu bestrafen.«
    »Damit war Pater Varade gemeint?«
    »Derselbe! Der, so sein Verteidiger, diesem Barrière doch gar nicht geraten habe, den König zu töten.«
    »Ach!« meinte Miroul, »und warum hat besagter Varade den König dann nicht vor Barrières blutigem Plan gewarnt?«
    »Die Begründung ist hübsch: Weil Pater Varade nach Barrières Gesicht, Blicken, Gesten und Worten zu dem Urteil gelangt sei, daß der Mann von Sinnen sein müsse; er habe in seinen Reden nicht Hand noch Fuß erkannt und ihn an einen anderen Jesuiten zur Beichte verwiesen, um ihn loszuwerden.«
    »Aha, weil er toll war, war er nicht gefährlich! Eine seltsame Beweisführung!«
    »So schien es auch das Gericht zu sehen.«
    »Ihr meint also, das Parlament wird die Verbannung der Jesuiten beschließen?«
    »Ich glaube, ja, mein Miroul, und ich wäre darüber unendlich froh, denn je mehr ich diese Leute studiere, desto unheimlicher erscheinen sie mir. In ihren Schulen säen sie weiter das Korn des Königsmordes und warten geduldig, daß die Saat aufgeht.«
    »Moussu, was habt Ihr?«
    »Ach, Miroul! Seit Monsieur de Rosny mich auf diesen Weg geschickt hat, erwache ich fast jede Nacht in Schweiß gebadet, und das Herz klopft mir wie wild. Ich sehe, wie ich dich sehe, einen neuen Clément oder Barrière auf den König einstechen und das Königreich aufs neue in einem Meer aus Massakern und Bürgerkrieg versinken, aus dem wir doch nach einem halben Jahrhundert gerade erst auftauchen.«
    »Der Gedanke bewegt auch mich«, sagte Miroul,

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