Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
zwar das größte, das es im Reich jemals gab. Er bot sogleich einen hohen Preis, schützte aber vor, daß er Zeit brauche, um soviel Geld zusammenzubringen, und schob den Handel zwei Tage hinaus. Dann ließ er die Person von seinem Commis zu deren Haus begleiten und informierte mich umgehend, denn in solche schwarzen Wasser wollte er nicht einmal eine Zehenspitze stecken.«
»Aber«, sagte ich, »wenn Ihr nur das Haus dieser Verbrecher kennt, woher wißt Ihr dann, daß sie nicht bewaffnet sind?«
»Das Haus ist mir nicht unbekannt, und eine Minute noch, Siorac, dann kennt Ihr es selbst. Wir sind gleich da.«
»Was? Die Schurken wohnen in der Rue Saint-Jacques? Das ist mir ja ein schönes Viertel für Verbrecher!«
»Sie sind eben sehr betucht«, Lugoli lächelte, »und werden es immer noch reichlich sein, auch wenn ich den Rubin mitnehme. Da sind wir«, sagte er und blieb vor einem schönen Eichentor stehen.
»Wie bitte?« rief ich verdattert. »Aber das ist doch das Collège de Clermont!«
»So ist es!« sagte Lugoli, indem er den Klopfer kräftig in Bewegung setzte. »Hatte ich nicht versprochen, Ihr würdet nicht enttäuscht sein?«
Die Luke ging auf.
»Pförtner, du kennst mich«, sagte Lugoli in militärischem Ton. »Ich bin Pierre de Lugoli. Bitte öffne, ich habe ein Anliegen an den ehrwürdigen Pater Guéret.«
Die Tür ging auf, und hinein drängten Lugoli, die sechs Sergeanten und ich, worauf der Pförtner, auf so viele Besuchernicht gefaßt, ein wenig argwöhnisch wurde und sagte: »Ich melde Euch dem ehrwürdigen Pater Guéret«, indem er die Hand nach einer Glockenschnur ausstreckte. Doch Lugoli hielt seinen Arm mit der Linken zurück und setzte ihm die Degenspitze auf den Schmerbauch.
»Nicht nötig«, sagte er mit liebenswürdigem Lächeln, »ich kenne mich aus.«
Auf ein Zeichen von ihm ergriffen zwei weniger liebenswürdige Sergeanten den Pförtner, steckten ihm einen Knebel in den Mund, stellten ihn an eine Säule und fesselten ihn daran. Auf ein weiteres Zeichen schloß ein anderer Sergeant das Guckloch, verriegelte die Tür und stellte sich mit gezogenem Degen als Wache zu dem Pförtner. All das geschah sehr schnell und lautlos, dann gebot Lugoli uns mit einem Handzeichen, ihm zu folgen.
»Um diese Stunde«, raunte er mir zu, »sind die Jesuitenpatres im Refektorium, wir werden ihnen gute Mahlzeit wünschen.«
Lugoli brach nicht ins Refektorium ein, er betrat es mit höflichem Lächeln, den Hut in der Hand, während seine Sergeanten straffen Schrittes die beiden Türen und sämtliche Fenster besetzten.
»Ehrwürdige Patres«, sagte Lugoli mit einer Verneigung, »ich bin untröstlich, Euer Mahl stören zu müssen, doch erfuhr ich gestern aus sicherer Quelle, daß Ihr im Besitz eines großen Rubins seid, welcher zu jener Krone von Saint-Denis gehört, die im Jahr 1590 auf Befehl des Herzogs von Nemours zu Münze gemacht wurde, und ich bin hier, ihn zurückzufordern. Der Edelstein gehört zum Kronschatz unserer Könige.«
Diese Erklärung traf auf tiefes Schweigen, keiner der Patres rührte sich von seiner Bank oder hob auch nur die Augen von seinem Napf. Nach meiner Schätzung saßen ihrer dreißig an der langen klösterlichen Tafel, die einen kahl, die anderen beschopft, keiner jedoch tonsuriert wie die Mönche, und alle trugen Soutanen wie die Priester.
»Ehrwürdige Patres, habt Ihr mich verstanden?« sagte Lugoli, noch immer höflich, doch mit einem Anflug von Peitsche in der Stimme.
»Monsieur«, sagte ein Pater, der am Ende der Tafel saß und ihr vorzusitzen schien, »Euer Ersuchen überrascht mich, undich wünsche aus Eurem Munde zu wissen, ob Herr von O hierüber informiert ist.«
»Der Herr Gouverneur von Paris«, sagte Lugoli im respektvollsten Ton, doch mit einem wenig freundlichen Licht in den blauen Augen, »muß hiervon keine Kenntnis haben. Ich empfange meine Befehle vom König. Ehrwürdige Patres«, setzte er nach einem Moment hinzu, »ich erwarte Eure Bereitwilligkeit.«
Hierauf antwortete der Pater, der gesprochen hatte, mit keinem Wort, sondern löffelte weiter seine Suppe, als wäre Lugoli Luft. Dieser Pater – später erfuhr ich, daß es Guéret war – hatte einen sehr schönen, schmalen Kopf, fein gebildete Züge, tiefliegende Augen und eine hohe Stirn.
»Was diesen Rubin angeht«, sagte plötzlich ein Pater mit rauher Stimme, »so wissen wir nicht einmal, wovon Ihr redet.«
Dieser Einwurf schien dem Pater Guéret einiges Unbehagen zu bereiten, er warf
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