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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Audienz zu geben, muß der Heilige Vater so tun, auch vor seinen Domestiken übrigens, die sämtlich von Philipp II. gekauft sind, als spreche er mit mir lediglich über das Anliegen der Königin Louise.«
     
    Vierzehn Tage darauf besuchte mich Fogacer, der trotz meiner Einladung nicht in meinem Kardinalspalast hatte wohnen wollen. Gemeinsam mit seinem Akoluthen nahmen wir ein italienisches Mittagsmahl ein – Koch und Feuerholz waren mir zusammen mit dem Haus vermietet worden –, und ich fragte ihn, ob er d’Ossat schon gesprochen habe.
    »Nein«, sagte er, »das hebe ich mir zur Krönung des Ganzen auf. Vorerst habe ich eine Reihe Priester aufgesucht, die mit den Geheimnissen des Vatikans gut vertraut sind, und …«
    Hiermit verstummte er, und da er seinen Satz unvollendet ließ, wobei er mich aus seinen nußbraunen Augen unter den diabolisch gespitzten Brauen ansah, spürte ich, daß er eine Art Handel mit mir schließen wollte, bevor er weitersprach.
    »Soll ich vielleicht«, sagte ich, »ehe Ihr Eure gestoppelten Ähren in den gemeinsamen Korb werft, erst einmal die meinen vorweisen? Aber wenn sie Euch spärlich und kümmerlich im Vergleich mit den Euren dünken, werdet Ihr Euch dann womöglich bestohlen fühlen? Oder aber mir einen Teil Eurer Ausbeute vorenthalten?«
    »Keine Knauserei,
mi fili
! Zeigt vor, was Ihr habt. Das Meine folgt, ohne daß ich irgend etwas zurückhalte. Mein Abbé-Ehrenwort!«
    Hierauf erzählte ich Fogacer alles, was d’Ossat mir mitgeteilt hatte.
    »Seine Zuversicht nimmt mich wunder«, sagte er. »Ja, wenn Clemens VIII. so hellsichtig und entschlossen wäre, wie es Sixtus V. war, würde er Henri sofort absolvieren, schließlich geht es um die Existenz der katholischen Kirche, darum, daß Frankreich ihren Schoß nicht verläßt und sich als gallikanische Kirche etabliert, und darum, daß Spanien dem Papsttum nicht länger seinen Willen aufzwingt. Deshalb hatte Sixtus V. sich ja auch geweigert, die Liga durch Waffen und Gelder zu unterstützen. Er hat es nicht überlebt.«
    »Wollt Ihr damit sagen, daß er ermordet wurde?«
    »Gut möglich. Gift kam in der Geschichte des Vatikans des öfteren vor. Erinnert Euch, wie die Prediger der Liga Sixtus V. von der Kanzel herab angriffen! Und wie ein Jesuit in Madrid sich nicht scheute, ihn als Navarristen und ketzerischen Unruhestifter anzuprangern!«
    »Oh, welch ein Skandal«, sagte La Surie, »die Orthodoxie eines Pastes anzuzweifeln!«
    »Aber welch ein Skandal war erst seine Nachfolge! Denn Philipp II. befahl dem Konklave, den neuen Papst unter sechs Kandidaten auszuwählen. Das heilige Kollegium bestand jedoch aus siebzig Kardinälen! Vierundsechzig schloß Philipp II. vom Pontifikat aus!«
    »Mir schwirrt der Kopf vor soviel Päpsten », sagte ich, »wer wurde gewählt?«
    »Der schlimmste der sechs, Gregor XIV.«
    »Der Uhrmacher«, sagte La Surie.
    »Was, das wißt Ihr, Monsieur de La Surie?« sagte Fogacer voll Anerkennung. »Ja, Gregor XIV. hatte eine Leidenschaft für die Uhrmacherei. Er verbrachte seine Tage damit, Uhren zu reparieren, sie wurden ihm aus ganz Italien gebracht. Und sicherlich«, setzte Fogacer hinzu, indem er fromm die Hände faltete, »hat ihn diese Beschäftigung so kurzsichtig gemacht, daß er die zeitlichen Geschäfte nicht mehr überblickte. Er tat, was der Spanier wollte, und gab der Heiligen Liga in Frankreich zehntausend Soldaten und siebenhunderttausend Ecus. Die zehntausend Soldaten siechten unterwegs an einer Seuche dahin, der Vatikan war ruiniert. Und trotzdem war Gregor XIV. ein guter Mann.«
    »Herr Abbé«, sagte La Surie, »Ihr seid sehr nachsichtig gegen den Uhrmacher.«
    »Ich bin Kirchenmann«, sagte Fogacer mit seinem langsamen, gewundenen Lächeln, »und Wohlwollen ist des Priesters zweite Haut. Breiten wir also den Mantel des Schweigens über Gregor XIV. und seinen Nachfolger Innozenz XI., der zu innozent war, um diese Welt der Intrigen und Streitereien zu regieren, und von seinem Schöpfer ein Vierteljahr nach seiner Erwählung abberufen wurde.«
    »Und wie steht es mit Clemens VIII.?«
    »Meines Erachtens geriet er durch Irrtum auf die Liste der
papabili
: Philipp II. hätte wissen müssen, daß der gegenwärtige Papst von Sixtus V. zum Kardinal ernannt worden war.«
    »Heißt das«, fragte ich voller Hoffnung, »daß Clemens VIII. Philipp nicht ergeben ist?«
    »Nicht ergeben wäre zuviel gesagt, er ist ein vorsichtiger Mann, der alt sterben will. Im übrigen ist er sehr

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