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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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unser armer Abbé, als ihm das Buch
Die Republik der Schweizer
weggenommen wurde.
    »Wir haben nichts gegen seinen Verfasser Simler«, sagte der Pater, »der ein guter Katholik ist, noch auch gegen sein vollkommen unverfängliches Werk. Aber das Buch ist ins Französische übersetzt, und der Übersetzer ist ein Genfer Ketzer.«
    »Pater«, sagte Fogacer bescheiden, »ich bewundere Eure Menschenkenntnis.«
    »Die muß sein«, sagte der Pater. »Wir führen genaue Listen über die Hugenotten, namentlich über jene, die Bücher schreiben, müssen wir doch unsere Schäflein vor der Pest der Ansteckung schützen. Und deshalb, Signor Marchese«, setzte er, an mich gewandt, hinzu, »beschlagnahme ich auch die Essais von Montaigne, die Ihr erst bei Eurer Abreise zurückerhaltet.«
    »Aber soweit ich weiß«, sagte ich, »hat Michel de Montaigne sein Buch Eurer Zensur bereits unterworfen!«
    »Trotzdem hat er die beanstandeten Stellen bei der Neuauflage seines Werkes nicht geändert. Immer noch spricht er im ersten und zweiten Buch von George Buchanan als einem ›großen schottischen Dichter‹.«
    »Und was ist daran verwerflich?«
    »Signor Marchese«, sagte der Pater mit wahrhaft väterlicher Geduld, als spräche er zu einem Kinde, »Buchanan ist ein Ketzer. Also kann er kein großer Dichter sein.«
    Das verschloß mir endgültig den Mund, außer auf diesen Seiten, und ich mußte die Essais missen, solange ich in Rom weilte.
    Was sich innerhalb der Mauern befand, die Ewige Stadt nämlich, die aber in Wahrheit aus mehreren übereinandergeschichteten Städten besteht, so war ich, Leser, derart begierig, diese zu besichtigen, daß ich, aller Müdigkeit ungeachtet und kaum daß wir unser Gepäck abgeladen und unsere Eskorte im Gasthof »Zu den zwei Löwen« einquartiert hatten, gemeinsam mit La Surie die Runde machte, was etwa die gleiche Zeit dauerte wie eine Besichtigung von Paris. Beide Städte haben, glaube ich, ungefähr dieselbe Größe. Nur ist Rom längst nicht so reich an Einwohnern noch so dicht mit Häusern bebaut, wenigstens ein Drittel des Raums innerhalb der Mauern ist Brache. Dafür fand ich die Straßen und Plätze schöner als in Paris, die Häuser viel geräumiger, und allenthalben zeugten viele Kutschen und schöne Pferde von großem Reichtum. Sehr enttäuscht war ich jedoch, keine Händlerstraße zu entdecken, während es in Paris doch immer eine Lustbarkeit ist, zwischen wunderbar bestückten Butiken zu wandeln und rechts wie links zu schauen, selbst wenn der Beutel zu dürftig gefüllt ist, um zu kaufen.
    Die Stadt liegt am Tiber (in dem tagtäglich ebenso viele Erschlagene schwimmen sollen wie in der Seine), und anders als London ist sie aufs linke wie aufs rechte Ufer gleichmäßig verteilt. Nichts aber, muß ich sagen, ist schöner als die Altstadt, die sich über den hügeligsten Teil erstreckt. Dort sah ich wunderschöne, geradezu prächtige Häuser, und als ich einen Passanten fragte, wem sie gehörten, erfuhr ich, daß ihre glücklichen Besitzer zumeist italienische Kardinäle sind.
    »Signor«, sagte der Mann, »wenn diese Häuser Euch so gefallen, könnt Ihr Euch eines mieten. Zum Beispiel gehört jenes dort, wo die Läden geschlossen sind, dem Kardinal von Florenz, der lieber in seinem anderen Haus wohnt.«
    Bei diesem Namen blinzte ich Miroul zu, war doch der Kardinal von Florenz der einzige Prälat in Rom, der Frankreich liebte und seinen Interessen diente.
    »Aber«, sagte ich, »diesen Palast zu mieten muß doch ein Vermögen kosten?«
    »I bewahre, Signor«, sagte der Mann, ein kleiner mit flinken Augen wie ein Eichhörnchen. »Nennt mir nur Euren Namen und Eure Adresse, und ich bringe Euch heute abend den Schlüssel.«
    Den erhielt ich tatsächlich am selben Abend, und am folgenden Tag besichtigte ich das Anwesen des Kardinals in Gesellschaft des kleinen Mannes, der seine Rolle als Cicerone sehr ernst nahm und mir das Haus in allen Tönen pries. Was aber ganz überflüssig war, denn für fünfzig Ecus im Monat fand ich alles, große Ställe und geräumige Bedientenflügel für meine Eskorte und meine Pferde, einen schönen Garten, wenngleich in der Winterkälte erstarrt, und ein bezauberndes Wohnhaus mit Marmor, Säulen und Statuen überall, vier Empfangssälen nacheinander, mit vergoldeten Ledertapeten bespannt, die Zimmer ausgeschlagen mit Brokat und Seide: eine Pracht, wie ich sie nur vom Louvre kannte. Denn selbst im Hôtel meiner kleinen Herzogin, das in Paris immerhin als eines der

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