Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
vorzustellen.«
»Gott im Himmel! Und wer ist Kardinal Giustiniani?«
»Der Besitzer dieses Hauses, Moussu! Habt Ihr das schon vergessen?«
NEUNTES KAPITEL
D’Ossat hatte mir zu verstehen gegeben, daß ich ihn der Vorsicht halber nicht zu oft besuchen dürfte; sobald sich ein Fortschritt ergäbe, ließe er es mich wissen. Und so war ich hoch erfreut, dem Kardinal Giustiniani zu begegnen, von dem ich annehmen durfte, daß er, ein Florentiner und Vertreter des Großherzogs von Toskana, der Sache Henris und Frankreichs günstig gesinnt war. Als ich seinen Palast betrat und zu ihm vorgelassen wurde, war ich zunächst dennoch sehr auf meiner Hut. Doch Giustiniani, der, wie um die Vorstellung Lügen zu strafen, die man in Frankreich von Italienern hat, blaue Augen, ein helles Gesicht und graublonde Haare hatte, die unter seiner Kardinalskalotte hervorsahen, steuerte unumwunden aufs Ziel zu und zeigte mir gleich zu Spielbeginn, daß er meinen Platz auf dem Schachbrett kannte und wußte, wes Königs Bauer ich war. Also kam ich aus meiner Reserve wie ein Dieb aus dem Busch und fragte ihn – nach den ersten Höflichkeiten, die abzukürzen er die Güte hatte –, ob die Jesuiten-Verbannung nach seiner Auffassung für die Sache der Absolution nicht sehr schädlich gewesen sei.
»Allerdings«, sagte Giustiniani, und dabei blitzten seine blauen Augen, »hat die Verbannung der Jesuiten Eurer Sache nicht eben gutgetan. Aber so groß, wie der Herzog von Sessa und die Jesuiten es gern wollten, war der Schaden nun nicht. Gott verzeih ihnen«, sagte Giustiniani mit einem Anflug von Ironie, »aber in ihrem Eifer gingen sie zu weit. Sie haben den Papst weidlich belogen, um Euren Fürsten anzuschwärzen. Marchese, ich schäme mich, diese Lügen zu wiederholen, so unverfroren sind sie. Ich müßte fürchten, Euch zu verletzen.«
»Vostra Eminenza«, sagte ich, mich verneigend, »hätte ich mich von den Lügen der ligistischen Priester verletzen lassen, die ich während der Pariser Belagerung zu hören bekam, bestünde ich jetzt nur noch aus Wunden.«
»Bene«, sagte Giustiniani mit einem Anflug von Lächeln,»so hört denn: Die Jesuiten behaupten, ihre Verbannung sei auf einer Generalversammlung der Protestanten zu Montauban beschlossen worden.«
»Beim Ochsenhorn!« rief ich, »diese Versammlung hat vor zehn oder zwölf Jahren unter Heinrich III. stattgefunden.«
»Das wissen wir«, sagte Giustiniani und gab durch das »wir« zu verstehen, daß der Papst auf solche Behauptungen nicht hereinfalle. »Die Jesuiten sagen auch, nach ihnen kämen die Kartäuser, die Minimen und Kapuziner an die Reihe, aus Frankreich vertrieben zu werden; gute Katholiken wie Séguier hätten bereits ihr Amt verloren; der Marschall von Bouillon verwüste die Kirchen Luxemburgs und trete das heilige Sakrament mit Füßen. Kurz, die Religion liege in Frankreich jetzt schlimmer darnieder als in England.«
»Aber das ist samt und sonders falsch, daß man schreien möchte«, sagte ich.
»Oder weinen«, sagte Giustiniani. »Wir wissen zuverlässig, daß die anderen religiösen Orden in Frankreich durchaus nicht bedroht sind, obwohl der Fürst von Béarn (auch der Kardinal durfte nicht sagen: der König, weil der Papst ihn nicht anerkannt hatte) sich heftig verletzt fühlte durch ihre Weigerung, für die Erhaltung seines Lebens zu beten. Aber, Marchese, inzwischen haben wir dem Fürsten hierin Genüge getan; Sua Santita 1 hat den Kartäusern, Minimen und Kapuzinern erlaubt, für ihn zu beten. Allerdings hat er die Erlaubnis nicht schriftlich erteilt, sondern hat die Bevollmächtigten in Rom mündlich beauftragt, es den jeweiligen Orden kundzutun.«
Das freute mich nicht nur, und ich sagte es Seiner Eminenz, es ergötzte mich auch im stillen als schönes Beispiel vatikanischer Schläue, konnte man eine mündlich erteilte Erlaubnis doch leichter widerrufen, als eine schriftliche leugnen.
»Was den Marschall von Bouillon betrifft …«, sagte ich.
»Das ist pure Verleumdung«, vollendete Giustiniani meinen Satz. »Sicher ist Herr von Bouillon Hugenotte, doch wissen wir auch, daß er einer der maßvollen seiner Sekte ist und daß es ihm gar nicht in den Sinn käme, eine katholische Kirche zu verwüsten. Kurzum, Marchese, diese Bosheiten und Verleumdungen haben mehr ihren Urhebern geschadet als der SacheEures Fürsten. Zweifellos«, fuhr der Kardinal fort, indem er die Hände breitete, »ist Seine Heiligkeit den Jesuiten äußerst zugetan und hält es für
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