Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
betrübt‹, und ich würde behaupten, daß dieses ›sehr betrübt‹ unvergleichlich betrübter klang als das erste ›betrübt‹, ›über das Urteil, mit welchem der Pariser Gerichtshof die Jesuiten aus Frankreich vertrieben hat, obwohl Chatel nichts gegen sie ausgesagt hat.‹«
»Was habt Ihr hierauf erwidert, Herr Abbé?« fragte ich, verwundert über den Ausspruch des Papstes.
»Natürlich schwieg ich«, sagte d’Ossat. »Und was den Papst angeht, so fuhr er folgendermaßen fort, und ich bitte, jedes seiner Worte zu beachten, sie sind wohlerwogen: ›Wie um das Übel zu verschlimmern‹, sagte der Heilige Vater, ›hat der Pariser Gerichtshof die These der Jesuiten für ketzerisch erklärt, laut welcher der König nicht angenommen und anerkannt werden kann, solange er nicht die Absolution des Heiligen Stuhls hat. Das heißt doch aber‹, rief der Papst mit einem tiefen Seufzer, der ihm aus dem Herzensgrund zu kommen schien, ›daß die Absolution, die man von mir will, ohne jegliche Bedeutung ist! D’Ossat‹, fuhr er fort, die Hände gen Himmel erhebend, ›nun sagt doch selbst: Ist dies eine Art, die Dinge zu arrangieren, wie wir es wünschen und wie sie bereits auf gutem Wege waren?‹«
»Demnach sind also nicht alle Brücken abgebrochen«, sagte ich.
»Ganz im Gegenteil!«
»Und was sagte der Papst dann?« fragte ich lebhaft.
»Er seufzte wiederum und sagte, daß er unendlich betrübt sei.«
»Und was erwidertet Ihr, Herr Abbé?«
»Natürlich schwieg ich«, sagte d’Ossat. »ich sah doch, daß der Papst zu erregt war, um mir zuzuhören. Hätte ich etwas geantwortet,hätte ich ihn nur aufgebracht, ohne ihn zu überzeugen. In dem Moment«, setzte er hinzu, indem er den feinen Kopf hin und her drehte wie ein Vögelchen und mich lächelnd beäugte, »im Moment des reißenden, blutigen Schmerzes nimmt auch ein Papst die Vernunft nicht so leicht in Zahlung … Warten wir, bis die ersten Aufwallungen sich ein wenig gelegt haben.«
»Ich kann mir denken«, sagte ich, »daß die Jesuiten in Rom großes Geschrei machen wegen der Ausweisung ihrer Gesellschaft.«
»Die Spanier noch viel mehr«, sagte d’Ossat. »Aber dieses Lärmen währt nur seine Zeit. Dann ergreife ich wieder mein Schiffchen und knüpfe meinen Faden. Am Ende steht der Erfolg.«
»Herr Abbé, ich bewundere Eure Zuversicht«, sagte ich.
»Ich sehe die Dinge mit klarem und kühlem Blick«, sagte d’Ossat. »Henri Quatre ist ein großer Heerführer, seine Armee ist mächtig und marschiert von Erfolg zu Erfolg. Nehmen wir an, er wäre der beste Katholik der Welt und täte tagtäglich Wunder, hätte aber kein Kriegsglück, dann würde Rom ihn nie und nimmer anerkennen. Er hingegen ist ein sehr mäßiger Katholik, gewinnt aber kraft seiner Waffen in Frankreich die Oberhand, und also wird Rom ihm die Absolution anbieten, die es ihm bislang verweigert hat. Rom hat durch diese Weigerung mehr zu verlieren als er.«
»Wie das?« fragte ich erstaunt.
»Kennt Ihr nicht«, sagte der Abbé lächelnd und mit einem Blitzen in den blauen Augen, »das Sprichwort: Wenn der Pfarrer zuviel Sperenzien macht, die Ostereier zu segnen, essen die Pfarrkinder sie ungesegnet.«
»Und das hieße in diesem Fall?«
»Daß der König gegenüber dem Papst weit im Vorteil ist: Er hat die Dinge in der Hand. Er vergibt Bistümer und Abteien, und die, denen er sie gibt, danken es ihm. Der Papst bleibt dabei außen vor, und seine Autorität verfällt. Damit, daß er den König von der katholischen Religion ausschließt, schließt er sich selbst aus dem ältesten Königreich der Christenheit aus und kann erst wieder hinein, wenn er Henri die Absolution erteilt. Beharrt er bei der Weigerung, heißt das – das Schisma!« rief d’Ossat plötzlich mit einem Schmerz, der mir nicht gespielterschien. »Und Rom läuft die entsetzliche Gefahr, daß die gallikanische Kirche die päpstliche Vormundschaft abwirft, wie es die anglikanische Kirche unter Heinrich VIII. von England bereits getan hat.«
Diese Beweisführung dünkte mich so sinnvoll und wohlbegründet, daß ich sie eine Weile verdauen mußte, ehe ich antwortete.
»Wie die Dinge liegen«, sagte ich, »ist der Papst doch gezwungen, diese Gefahr zu erkennen. Warum zögert er dann so lange, den König zufriedenzustellen?«
»Der Spanier, Herr Marquis!« rief d’Ossat, »der Spanier! Das Hindernis ist der Spanier! Der Spanier, der in Rom beinahe mächtiger ist als der Papst! Den Beweis seht Ihr vor Euch! Um mir
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