Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
allein.«
»Allein, der Papst?« fragte La Surie.
»Hört gut her, La Surie: Von den siebzig Kadinälen des Heiligen Kollegiums verdanken mehr als die Hälfte Philipp entweder ihren Hut oder eine Pension. Und wenn im Konsistorium Henris Absolution zur Sprache käme, würde sie mit überwiegender Mehrheit abgelehnt werden.«
»Bei einer Gewissensentscheidung«, sagte ich, »muß der Papst sich nicht ans Konsistorium wenden.«
»Richtig. Aber jede Entscheidung, die er allein treffen würde, würde ihn der Rache Philipps aussetzen.«
»Trotzdem«, sagte ich, »Philipp hat den Krieg am Hals, den Henri ihm erklärt hat. Was kann er dem Papst da groß antun?«
»Viel. Philipp besitzt halb Italien. Er kann Rom den apulischen und sizilianischen Weizen streichen. Das hat er schon einmal getan. Er kann das päpstliche Gebiet mit sechshundert Spadassini überschwemmen. Auch das hat er schon getan. Er kann aufhören, die türkischen Piraten zu bekämpfen, die Italiens Küsten verheeren. Und schließlich kann er, wie gesagt …«
»Ich wette trotzdem«, sagte La Surie, »daß Clemens VIII. nicht ganz ohne Unterstützung dasteht.«
»Allerdings, und es ist nicht die schlechteste. Venedig und Florenz halten zu ihm.«
»Warum gerade diese Städte?« fragte La Surie.
»Weil sie reich sind und viel zu verlieren haben. Und weil sie fürchten, daß der unersättliche Appetit des allerchristlichsten Königs auf weltliche Besitztümer sie eines Tages schluckt.«
»Venedig, Florenz, so kleine Stadtstaaten!« sagte La Surie.
»Ein Staat«, sagte Fogacer, anmutig den Zeigefinger hebend, »ist niemals klein, wenn er über Geld und eine gute Diplomatie verfügt. Dennoch«, fuhr er fort, »können Venedig und Florenz für Henris Absolution nicht mehr tun, als den Papst zu ermutigen. Das ist wenig, wenn es sich um einen so ängstlichen Mann wie Clemens VIII. handelt.«
»Fogacer«, sagte ich vorwufsvoll, »d’Ossat hat mir Hoffnung gemacht, und Ihr macht sie zunichte.«
»Was kann ich dafür?« sagte Fogacer und hob seine Spinnenarme. »glaubt Ihr, ich täte es gern? Die Lage ist, wie sie ist. Ich habe sie nicht geschaffen. Ich habe nur gesagt, was die Geistlichen in Rom dazu sagen.«
»Aber letztendlich«, rief ich nicht ohne Vehemenz, »ist es doch ein Gebot des gesunden Menschenverstands, der Vernunft, der schlichten Menschlichkeit, der Unabhängigkeit des Heiligen Stuhls, des wohlverstandenen italienischen Interesses, daß der Papst den König von Frankreich endlich absolviert.«
»Ha,
mi fili
, seit wann handeln die Menschen nach der Vernunft und nach dem Gebot der Geschichte?«
Als Fogacer gegangen war und es zu regnen aufhörte, warf ich mir einen Mantel über und wandelte im Garten die mit Marmor gepflasterte und von Zypressen gesäumte Allee auf und nieder. Als ich diese Allee zum erstenmal sah, war es bei Sonnenschein und blauem Himmel gewesen, und ihre Pracht und Anmut hatten mich bezaubert. An diesem traurigen Nachmittag aber erschienen die Zypressen mir düster, die Wolken schwarz und die Zukunft für meinen König und mich trübe verhangen. Denn jetzt sah ich dieser unglücklichen Affäre so viele Hindernisse entgegenstehen und ahnte, es würde Monate bis zu ihrer Lösung dauern, falls überhaupt eine Lösung zustande käme. Und was mich anging, so wäre ein langer Aufenthalt in Rom für mich ruinös. Vor allem mußte ich wie ein Verbannter leben, verbannt von Frankreich, von meinem Besitz, von meiner großen Liebe. Und ich dachte voll Schmerz an meine kleine Herzogin, daß mir die Tränen kamen; doch seltsam, sie lindertenmeine Traurigkeit, und diese erfüllte mich wie ein heimlicher Schatz.
La Surie gesellte sich zu mir, und weil er meine Stimmung erriet, ging er schweigend neben mir im gleichen Schritt, um mich durch seine stumme Zuneigung zu trösten.
»Was meinst du, mein Miroul«, sagte ich, mich aus meinem Grübeln lösend, »zu den Reden von Fogacer und denen von d’Ossat? Können zwei Glocken verschiedener klingen?«
»Ich meine«, sagte La Surie nach einiger Überlegung, »d’Ossat hat die Sicht von innen, und Fogacer die von außen. Ich baue auf d’Ossat.«
»Ich wünschte, ich könnte es auch«, sagte ich. »Ha! Wäre es doch möglich, diesen Papst von nahem zu sehen, von dem alles abhängt!«
»Das könnt Ihr, Moussu, und schon bald. Vorhin kam ein kleiner Geistlicher des Kardinals Giustiniani und sagte, Seine Eminenz erwarte Euch morgen um elf Uhr, um Euch Seiner Heiligkeit
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