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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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einen großen Skandal, daß ihr Orden aus Frankreich verjagt wurde.
Ma
…«
    Und dieses »Ma«, was »aber« heißt, war sehr lang, sehr klangvoll moduliert und wurde durch eine große Gebärde der Hände und eine darauffolgende lange Pause noch verlängert, in welcher der Kardinal gen Himmel blickte und mir ein zartes Lächeln des Einverständnisses schenkte. Und wenn ich versuchte, Leser, dieses an sich nichtssagende »Ma«, das jedoch Bände sprach, seinem Gehalt nach zu deuten, würde ich sagen, daß Clemens VIII. vermutlich nicht sehr glücklich darüber war, daß der Jesuitengeneral von Philipp II. ernannt wurde und nicht von ihm; daß die Jesuiten laut den Ordensregeln des heiligen Ignatius zuerst ihrem General Gehorsam schulden und danach erst dem Papst; daß die Jesuiten seinen Gönner Sixtus V. mit Klauen und Zähnen bekämpft und sich nicht entblödet hatten, ihn »Navarrist« und »Ketzerbrut« zu schimpfen; und schließlich, daß den Jesuiten, ihrem Geschäftsgebaren nach, die spanischen Interessen mehr am Herzen lagen als die päpstlichen. Was alles selbstverständlich nicht hinderte, daß der Papst ihnen »äußerst zugetan« war und daß er über ihre Verbannung geweint hatte, aber auch, wie ich wenig später erfuhr, daß er ihrem General befohlen hatte, die Urheber jener »Bosheiten und Verleumdungen«, die ihn bekümmert hatten, aus Rom fortzuschicken.
    Nach jenem in der Schwebe verbleibenden »Ma« (das ich in meinem Herzensgrund lange auskostete) sagte der Kardinal, es sei nun Zeit, sich zu Seiner Heiligkeit zu begeben.
    Mit äußerster Herablassung und italienischer Höflichkeit bot Seine Eminenz mir den Vortritt, um seine üppig vergoldete Karosse zu besteigen, die von vier herrlichen Pferden gezogen wurde. Dann hieß der Kardinal einen Diener die Vorhänge im Innern der Kutsche schließen, was ja wohl bedeutete, daß er nicht in meiner Gesellschaft gesehen werden wollte. Ich wette, allein die Tatsache, daß man Franzose war, umgab einen in der Ewigen Stadt mit Schwefelgeruch, es sei denn, man war Ligist oder Jesuit.
    Unterwegs belehrte mich der Kardinal, daß fremde Edelleute dem Papst üblicherweise von den Gesandten ihres Landesvorgestellt würden, was in meinem Fall nun er übernehme, denn der Papst könne gegenwärtig keinen französischen Gesandten empfangen, weil er ja den Fürsten von Béarn nicht als französischen König anerkannte.
    Ich bedankte mich und fragte, was ich Seiner Heiligkeit denn sagen solle.
    »Ma niente, niente«
, 1 sagte der Kardinal lächelnd. »Dies ist eine Vorstellung, keine Audienz. Der Papst wird Euch segnen und ein paar Worte sagen. Ihr hingegen bleibt stumm wie ein Standbild.«
    »Und wie stelle ich mich vor?«
    »Keine Sorge, Marchese«, meinte er, indem er mir mit seiner Hand aufs Knie klopfte, »das geht ganz einfach. Ihr braucht nur nachzuahmen, was der spanische Marqués macht, der vor Euch empfangen wird.«
    »Und warum kommt ein spanischer Marqués vor mir dran?« fragte ich etwas gereizt.
    »Ha!
Il puntiglio francese! «
2 sagte Giustiniani und lachte. »Bitte, beruhigt Euch, Marchese. Wenn er vor Euch drankommt, so nicht, weil er Spanier, sondern weil er spanischer Grande ist. Er heißt Don Luis Delfín de Lorca.«
    »Delfín de Lorca?« fragte ich verblüfft.
    »Kennt Ihr ihn?«
    »Ich habe einer Verwandten von ihm in Paris beigestanden.«
    » Bene.
Dann sagt es ihm. Auch wenn Spanien und Frankreich im Krieg miteinander sind, müssen Spanier und Franzosen sich in Rom nicht die Gurgel durchschneiden.«
    »Vostra Eminenza«, sagte ich, mich verneigend, »das lasse ich mir gesagt sein.«
    »Marchese«, fragte Seine Eminenz nach einer Weile unvermittelt, »wie gefällt es Euch in meinem Palast?«
    »Wunderbar.«
    »Wahrscheinlich fragt Ihr Euch, warum ich in Rom zwei große Häuser habe?«
    »Vostra Eminenza«, sagte ich, »eine solche Frage zu stellen, würde ich mir nie erlauben.«
    » Bene.
Die Antwort ist die: Ich habe nur einen, den, den Ihr bewohnt. Der, den ich bewohne, gehört Ferdinando di Medici, aus der Zeit, als er hier Kardinal war. Doch wie Ihr wißt, starb sein Bruder, und der Kardinal wurde Großherzog von Toskana und mußte, um seine Erbfolge zu sichern, den Purpur ablegen und eine Frau nehmen. Was ihm nicht wenig Kummer machte«, setzte Giustiniani mit feinem Lächeln hinzu.
    »Soweit ich hörte«, sagte ich, »war Christine von Lothringen doch schön wie der helle Tag und gut wie ein Engel.«
    »Das ist sie noch. Und nicht die Heirat

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