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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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zart, mollig und sehr klein war, »wie danke ich Euch, daß Ihr meinem Hilferuf so schnell gefolgt seid! Zumal ich Euch«, fuhr sie in ihrer unverblümten Art fort, »während der Belagerungszeit ja nur sah, wenn Ihr Proviant brachtet, da wart Ihr ja viel zu emsig um meine geliebte Frau Schwiegermama bemüht, als daß Ihr geruht hättet, mich zu besuchen. Aber, bitte, nehmt doch Platz, Marquis, im Stehen läßt sich schlecht reden.«
    Ich verneigte mich abermals, und weil ich im stillen bemerkt hatte, wie sehr in diesen Worten die Herzogin hinter der Frau zurücktrat, die mich zunächst wohl ein wenig ins Unrecht setzte, aber auch einige Eifersucht auf Madame de Nemours verriet, verzichtete ich auf den mir gewiesenen Lehnstuhl und griff mir leichthändig ein Taburett, stellte es vor den Reifrock von Madame de Guise und ließ mich so demütig wie keck zu ihren Füßen nieder, was bei ihr gemischte Gefühle hervorzurufen schien, die sich indessen bald zu meinen Gunsten wendeten.
    »Frau Herzogin«, sagte ich leise, während ich sie in verehrungsvollen Blicken badete, »ich bin Madame de Nemours allerdings sehr verbunden, denn bestimmte Dienste, die sie mir auftrug, erforderten einen häufigeren Umgang mit ihr als mit Euch oder mit Madame de Montpensier. Doch beteure ich, daß ich Euch ebensooft und mit ebenso großer Freude besucht hätte (wobei meine Augen zeigten, daß diese Freude noch größer gewesen wäre), hättet Ihr mich nur gerufen und meine Ergebenheiterprobt. Hierzu hätte meine persönliche Neigung mich nicht minder bewegt wie meine Pflicht, weiß ich doch, welch ungemein große Zuneigung mein Herr für Euch hegt.«
    »Was? Hat er Euch das gesagt?« rief die kleine Herzogin und errötete unter dem Ansturm meiner Komplimente, die auf sie eindrangen wie Fußvolk unter der Deckung der königlichen Reiterei.
    »Ha, Madame!« sagte ich, »mehr als einmal hörte ich Seine Majestät sagen, daß er keine Dame am Hof mehr liebe als Euch.«
    »Marquis, ist das wahr?« rief sie auf dem Gipfel der Freude.
    »Wahr wie das Evangelium, Madame«, sagte ich. »Das schwöre ich bei meiner Ehre.«
    Hierauf schwieg die Herzogin einen Augenblick, um diese Milch erst einmal zu schlecken, und dabei hatte ich ihr nicht einmal alles eingeschenkt, denn der König hatte seiner Porträtskizze einen kleinen Zug hinzugefügt, den ich ihr besser vorenthielt, den ich zum Vergnügen meines Lesers aber hier anführen will: »Meine liebe Cousine«, setzte damals der König mit feinem Sinn hinzu (Frau von Guise war durch ihre Mutter Marguerite von Bourbon tatsächlich seine Cousine linker Hand), »ist in allem, was sie sagt und tut, von einer Direktheit, die viel mehr ihrem liebenswerten Naturell und ihrem Wunsch, zu gefallen, entspringt als etwa der Plumpheit, Dummheit oder dem Willen, zu verletzen, und gerade dieses Geradlinige macht mir ihre Gesellschaft erfreulich und angenehm.«
    »Ha, Monsieur!« fuhr die kleine Herzogin, von dem königlichen Lob noch ganz durchdrungen, fort, »wie mich die liebreiche Gesinnung Seiner Majestät erfreut! Wie sie mich erleichtert und hoffen läßt! Um es Euch nämlich nicht länger zu verhehlen: Ich mache mir furchtbare Sorgen um meinen Ältesten, um Charles, den Prinzen von Joinville. Ich fürchte so sehr, daß er beim König schlecht angeschrieben ist, weil doch die Generalstände zur Zeit der Belagerung ihn zum König gewählt hatten, um Henri auszubooten. Ein gewählter König von Frankreich! Und dies auf Anregung, auf Anstiftung sollte ich besser sagen, des Herzogs von Feria und des päpstlichen Legaten. Eines Spaniers und eines Italieners! Unglaublich, nicht wahr? Mein Herr Sohn, habe ich ihm gesagt, wenn Ihr einwilligt, daß diese dämlichen Pariser Euch ›Sire‹ nennen, will ich Euchniemals wiedersehen! Ein gewählter König von Frankreich! Gewählt von einem Rumpf von Generalständen! Und unter Ägide zweier Ausländer! Wo, sagt mir, ist Eure Armee? habe ich zu ihm gesagt. Wo sind Eure Siege? Wieviel Adel habt Ihr hinter Euch? Seid Ihr wie Navarra ein großer Hauptmann, der seit zwanzig Jahren im Harnisch steckt? Auf wieviel beläuft sich Eure Kriegskasse? Ich werde es Euch sagen: auf vierhunderttausend Ecus Schulden, die Euer seliger Vater Euch hinterlassen hat. Denn was bezieht Ihr schon groß aus Eurem Gouvernat Champagne? Das Ihr übrigens unrechtmäßig innehabt, denn der abscheuliche Heinrich III. hat es nach der Ermordung Eures armen Vaters dem Herzog von Nevers gegeben. Und sagt mir

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