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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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trafen (mit welchem ich, wie sich der Leser erinnern wird, die Übergabe von Meaux aushandelte), war er gern bereit, uns zum königlichen Zelt zu begleiten. Unterwegs nun erzählte er, Seine Majestät sei die Hänge und Steigungen der Berge, zwischen denen die Stadt liegt, derart oft abgelaufen, um alle Schanzgräben zu visitieren und zu begradigen, daß er jetzt darniederliege, zwar sonst gesund und munter, aber seine Füße seien wund, geschwollen und blutig vom vielen Kraxeln und Marschieren.
    Monsieur de Rosny, der trotz seiner hohen Tugenden nicht ohne Dünkel war, hätte den König, glaube ich, lieber allein besucht, weil aber Vitry, der mich sehr liebte, Seiner Majestät hatte melden lassen, daß ich mitgekommen sei, empfing er uns beide gemeinsam. Und weil er da tatsächlich auf zwei Strohsäcken lag, einer über dem anderen, ohne jede Bettstelle – Henri Quatre lebte im Krieg immer spartanisch wie ein einfacher Hauptmann –, ließ er uns von einem Diener zwei Polster bringen, auf welchen wir an seinem Kopfende bequem knien konnten. Wie Vitry gesagt hatte, fanden wir ihn, Gott sei Dank, fröhlich und munter, das Gesicht wie gegerbtes Leder, die Augen lebhaft und unter der langen Bourbonennase den scherzenden, genießerischen und spottlustigen Mund.
    »Ha, meine Freunde!« rief er, »seid mir sehr willkommen, zumal ich Eure Gesichter gerötet sehe vom Wind und lustig wie Krammetsvögel im Weinberg. Was mich anlangt, so geht es mir ganz vortrefflich, aber gewiß staunt Ihr nicht schlecht, mich hier so zu sehen, wißt Ihr doch, daß ich’s nicht gewohnt bin, die Kindbetterin zu machen, und daß ich vielmehr meine, wer zuvielschnarcht und zuviel frißt, wird nichts Großes zustande bringen. Denn woher sollen einer Seele, welche in trägen Fleischesmassen versackt, edle und großmütige Regungen kommen?«
    Worauf er lachte und wir lachten, wohl wissend, daß er das Porträt Mayennes gezeichnet hatte, des schlagflüssigen und gichtigen Fettsacks, der mehr Zeit bei Tisch zubrachte als Henri in den Federn.
    »Aber, bei Sankt Grises Bauch!« fuhr er fort, »damit ihr nicht denkt, daß ich hier den Weichling spiele, sollt Ihr meine Füße sehen.«
    Hiermit zog er seine Beine aus dem Bett, die dünn und muskulös waren, und indem er dem Diener befahl, die Verbände abzunehmen, zeigte er uns seine Füße, die tatsächlich nichts als Blasen und Beulen, Schwielen und Schründen waren, und alles blutunterlaufen.
    »Seht ihr«, sagte er mit einer Mischung aus Prahlerei und Gutmütigkeit, die mich entzückte, »das hab ich nun davon, daß ich gestern den ganzen Tag und die ganze letzte Nacht bergauf, bergab getrabt bin, lauter steile und steinige Pfade, um jedermanns Arbeit zu kontrollieren und zu berichtigen. Denn meine Befestigungen sollen so stark wie möglich werden, sowohl um die Stadt einzuschließen wie um gegen Angriffe Mayennes und des spanischen Mansfeld gerüstet zu sein, denn ich weiß doch, die wollen mich überfallen, sei es um der Stadt Lebensmittel und Verstärkung zu bringen, sei es um mich hier gänzlich zu vertreiben. Mein Freund«, fuhr er, an Monsieur de Rosny gewandt, fort, »Ihr müßt Euch unverzüglich ansehen, wie ich unsere Stellungen ausgebaut habe seit meiner Ankunft hier, die Forts und Redouten, die ich zur Deckung der Flanken habe errichten lassen, und vor allem die Batterie-Plätze, die Schanzen, die Plattformen und anderen Stellplätze für Geschütze, denn ich weiß doch, wie begierig Ihr seid, Euch in allen Kriegskünsten zu unterrichten und besonders im besten Gebrauch von Kanonen, worin ich Euch exzellieren sehen will, wie Ihr wißt.«
    Worauf Monsieur de Rosny, dem der König bereits angedeutet hatte, daß er ihn zum Großmeister seiner Artillerie machen wolle, sobald der Posten frei würde, sich prompt erhob und wortlos ging.
    »Graubart«, sagte der König mit feinem Lächeln zu mir, sowie Rosny fort war, »ich nehme an, ich sehe dich hier nichtohne Grund, weil ich dir befohlen hatte, in Paris zu bleiben und Augen und Ohren offenzuhalten, falls in meiner Abwesenheit Intrigen gegen mich angezettelt würden.«
    Also erzählte ich dem König meinen Vers, das heißt mein Gespräch mit Frau von Guise, und obwohl der König von seinen Dienern stets verlangte, ihre Berichte kurz und bündig abzufassen, erweiterte ich den meinen um nahezu alle Details, die der Leser kennt, weil ich wußte, wenn es um eine Frau ging und nun gar um seine teure Cousine, würde sein Ohr geduldig sein. Zum

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