Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
auf. »Dachtet Ihr, daß der Herr Graf Soundso, wenn er vor dem Herrn eine schwere Sünde zu büßen hat, sich selbst den zarten Rücken zerfleischen wird? Bewahre! Dafür bezahlt man einen Stellvertreter!«
»Aber Alfonso«, entgegnete ich, außer mir vor Staunen, »wie ist es denn gottesmöglich, auf dem Rücken anderer Buße zu tun?«
Doch Alfonso erwiderte nur mit einem Achselzucken und einem
»Ma«
, das in der Schwebe blieb.
ZEHNTES KAPITEL
Zog die Pasticciera mich anfangs durch ihre Schönheit in Bann, fesselte sie mich bald durch ihr wunderbar großmütiges und liebenswürdiges Wesen. Geld interessierte sie so wenig, daß sie leicht alles hergeschenkt und binnen kurzem im bloßen Hemd dagestanden hätte, hätte die Mamma nicht mit strengem Auge über die Haushaltung gewacht. Teresa war von Natur reich ausgestattet, von welcher Seite man es auch betrachtete. Sie hatte außerordentlichen Appetit auf Männer und schätzte sich glücklich, immer fünf, sechs gleichzeitig zu haben, und wäre sie häßlich gewesen – allerdings auch reich –, sie hätte sie ausgehalten. Jung und schön aber, angebetet vom ganzen Volk, fühlte sie sich Liebhabern um so mehr verpflichtet, als sie von deren Freigebigkeit lebte und diese ihr Vergnügen bereiteten; die Wollust, die sie selbst ihnen schenkte, zählte in ihrem gebefreudigen Herzen nicht.
Nicht nur, daß Teresa ihre Liebhaber liebte, sie wollte auch, daß sie einander liebten, und lud sie allesamt zum Souper am Sonntagabend, dem einzigen Tag, an dem sie aus frommem Skrupel auf irdische Wonnen verzichtete. Mich eingeschlossen, hatte sie der Liebhaber sechs. Als ich zugelassen wurde zu jenem Kreis, den Königin Elisabeth
the happy few
1 genannt hätte, waren wir jedoch nur fünf, denn der sechste war ebenjener Papstneffe Giovanni Francesco Aldobrandini, den Seine Heiligkeit zu Unterhandlungen mit Philipp II. nach Madrid entsandt hatte. Nichtsdestoweniger war die Geistlichkeit unter den Gästen des Sonntagabends durch zwei Monsignori vertreten, deren Namen ich »aus gediegenen Gründen«, wie Alfonso gern sagte, in diesen Memoiren verschweige und die, aus denselben Gründen, der Pflicht enthoben waren, täglich zu Pferdean Teresas Fenster zu defilieren. Dennoch waren ihre Beziehungen zur Pasticciera in Rom ein offenes Geheimnis, und kein Römer wäre auf die Idee gekommen, deshalb schlechter von ihnen zu denken, im Gegenteil.
Der dritte der Herren war, wie man schon weiß, der Bargello della Corte, der Polizeichef, ein Nachfahre jenes bedauernswerten Della Pace, den Papst Gregor XIII., um seine eigene Haut zu retten, einst feige dem revoltierenden römischen Pöbel ausgeliefert hatte. Obwohl nun dieser Della Pace uns anderen an Adel und Würden nachstand, machte er doch eine sehr gute Figur. Ein Profil wie ein antikes Bildwerk, das ihm einen zugleich sanftmütigen und entschlossenen Ausdruck gab, nahm von vornherein für ihn ein.
Der vierte war Don Luis Delfín de Lorca, den ich anläßlich meiner Vorstellung beim Papst bereits kennengelernt hatte, ein spanischer Grande, persönlich sehr angenehm, geistreich und liebenswürdig, ohne eine Spur des unnahbaren Charakters, den man seinen Landsleuten gemeinhin nachsagt.
Um das Inkognito der Monsignori zu wahren, werde ich mich hüten, sie in ihrer Leiblichkeit zu schildern. Beide waren sehr jung und ansehnlich, Nachgeborene aus sehr guter, altitalienischer Familie und, der Not des Erbrechts gehorchend, einem Orden beigetreten und durch päpstliche Gunst rasch bis zur violetten Robe aufgestiegen. Ohne ihre Diözesen je betreten zu haben, lebten sie von den Einkünften ihrer Bistümer in Rom ein höchst angenehmes Leben in jener »klerikalen Sorglosigkeit«, die Fogacer so beneidenswert fand. Von uns fünf, uns sechs vielmehr, wenn ich Giovanni Francesco mit einrechne, waren sie mit Abstand die jüngsten, lustigsten und leichtsinnigsten, die über die Maßen gern dem Wein zusprachen. Worauf ihre Reden eine leise Tendenz zum Gotteslästerlichen annahmen, wogegen Teresa in ihrer Frömmigkeit mit Klauen und Zähnen focht: Dann zogen unsere Monsignori rasch die Köpfe ein und wurden wieder lieb und brav wie Lämmlein an der Zitze. Denn war Teresa von uns sechsen auch die jüngste, ging von ihr, wenn sie der Tafel vorsaß, doch etwas so Mütterliches aus, daß wir uns vorkamen wie Welpen, die bei der römischen Wölfin die Milch des Lebens tranken.
Was nun mich angeht, so war ich, ohne daß die Erinnerung an meine geliebte
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