Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
daß sie sich die Brauen zupfen läßt, was ich nicht mag, daß ich wärmere Farben liebe und daß Eure Augen, Signora, wie ein Wald sind, in dem man sich verirren möchte.«
Hierauf lachte Teresa, ihre prächtigen Zähne zeigend, wandte den Kopf zur Mamma und wechselte mit ihr Worte in einem mir fremden Dialekt.
»Signor Marchese«, sagte sie dann, indem sie mir einen Blick aus ihren schönen schwarzen Augen sandte, »ich möchte, daß Ihr mir am kommenden Sonntag um zehn Uhr in San Giovanni in Laterano das Weihwasser reicht. Leider«, fuhr sie mit einem charmanten Seufzer fort, »empfange ich während der Karwoche niemanden, aber ich würde mich freuen, wenn Ihr am Dienstag danach zum Souper mein Gast wärt.«
Hierauf streckte sie mir mit ihrem mehrdeutigen Lächeln die vielberingte Hand hin, womit ich beurlaubt war und was in dieser vatikanisch geprägten Stadt, dachte ich, ja wohl dem dritten Segen des Papstes gleichkam. Ich fiel ins Knie, küßte mit allem erdenklichen Respekt ihre Hand, dann erhob ich mich, grüßte die Mamma und ging, und das Herz klopfte mir im Halse.
Als unsere Karosse den Torweg verließ, gerieten wir in ein Menschenmeer, das nach Sankt Peter strömte, sich aber artig teilte, um uns in der Gegenrichtung passieren zu lassen, was bei dem dichten Gedränge freilich nur im Schrittempo gelang.Da marschierte nun alles einher, was Rom an Zünften hatte, unzählige nämlich, eine jede in ihrer Tracht, weiß, rot, blau, grün, und eine jede unter vielen Fackeln. Der Lärm war ohrenbetäubend, weil den Zunftgenossen jeweils eine Kapelle voranzog und alle gemeinsam fromme Lieder sangen.
Voller Verwunderung und Neugier, die mich Teresa ein wenig vergessen ließ, schaute ich durchs Karossenfenster auf die endlose Prozession, ergriffen auch von der großen Frömmigkeit dieses Volkes. Doch da hörte ich über die Gesänge hinweg dumpfes Schlagen, das mißtönend näher und näher kam, und bald sah ich, halb hinter meinem Samtvorhang versteckt, eine lange Kolonne von Büßern, blutjungen zumeist, die sich mit Peitschen und unter Schmerzensschreien den nackten Oberkörper geißelten, dabei aber – ich sah es im Fackellicht deutlich – waren ihre Gesichter friedlich, ja, sie lachten sogar.
Etliche reichten den Flagellanten Wein, den diese in den Mund nahmen, um zuerst einen Schluck zu trinken, dann aber besprühten sie damit die Enden ihrer Marterinstrumente, um sie zu strählen und weich zu machen, sobald sie vom geronnenen Blut verklebt waren, denn es waren nicht eigentlich Peitschen, womit sie sich schlugen, sondern Bündel von Hanfseilen an einem kurzen Griff.
»Wie kommt es«, fragte ich Alfonso, »daß sie anscheinend gar nicht leiden, vielmehr umherwirbeln, laufen, springen, schreien, einander zurufen und lachen, während sie sich Brust und Rücken aufreißen?«
»Es heißt, sie ölen sich vorher ein«, sagte Alfonso, »nur verstehe ich nicht, was das Öl nützt, wenn das Fleisch trotzdem aufplatzt.«
Und geplatzt war es, ich sah im Fackelschein nichts als blutüberströmte Oberkörper, wo das erstarrte Blut sozusagen die Grundierung für die Bächlein frischen roten Blutes abgab, die bei jedem neuen Schlag flossen.
So gut ich mich auch verbarg, erspähte mich doch einer dieser Büßer und warf mir, während er sich um sich selbst drehte und mit straffer Hand peinigte, einen Blick zu und ein Lächeln. Nach seinem Gesicht war er sehr jung, nach seinen Unterkleidern sehr arm.
»Freund«, sagte ich voller Mitleid, »bist du ein so großer Sünder vor Gott, daß du dich dermaßen geißelst?«
»Aber Signor«, antwortete er, von einem Ohr zum anderen lachend, »ich geißele mich doch nicht für meine Sünden.«
Sehr verdutzt hörte ich diese Antwort, und weil sein armer Rücken mich erbarmte, wollte ich ihm ein Geldstück geben, damit er sich beim Bader verbinden lasse.
»Signor«, sagte er, mein Geld mit entschiedener Hand abwehrend, »das kann ich nicht annehmen, ich habe meine Bezahlung schon erhalten.«
Mir blieb der Mund offenstehen, doch konnte ich den Jungen nicht mehr fragen, weil die Karosse weiterfuhr.
»Signor Marchese«, sagte Alfonso tadelnd, »wozu habt Ihr einen bestallten
mendicante
, wenn Ihr jedem erstbesten Almosen gebt? Außerdem hättet Ihr mich erst fragen sollen, dann hätte ich Euch gesagt, was hier jeder weiß, nämlich daß diese Burschen sich fürs Geißeln bezahlen lassen.«
»Sie lassen sich dafür bezahlen?«
»Aber gewiß doch!« sagte Alfonso lachte leise
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