Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
wohlgelaunt und vergnüglich, daß er den finstersten Tag mit seiner Sonne zu erleuchten vermochte. Übrigens langte er zu Rom an genau solchem Tage an, der trotz des nahen Frühlings von früh bis spät unter so schwarzem Himmel lag, daß man den Tag nicht von der anhebenden Nacht unterschied. Ich aber stellte meinem Miroul tausenderlei Fragen, nach Angelina, nach meinem Gut Chêne Rogneux, nach meinen Kindern. Er wiederum wollte wissen, was alles mir unterdessen begegnet war, und wie er mit jedem Satz meine Neugier steigerte, so ich die seine, dergestalt, daß wir den ganzen Tag zu erzählen hatten und auch die ganze Nacht, und den nächsten Tag abermals.
Es ging bei mir nicht ohne Tränen ab, auch aus schlechtem Gewissen, als er mir berichtete, mit welcher Aufregung Catherine meinen Brief gelesen und wiedergelesen und ihn, Miroul,mit unzähligen Fragen bestürmt hatte, wie sie, die hohe Herzogin, ihn sich zu Tische geladen, damit er von mir erzähle. Vor allem hatte sie hören wollen, wann ich zurückkäme nach Paris, was er ihr aber nicht sagen konnte, nicht einmal andeutungsweise, fürchtete er doch, das Geheimnis zu verraten, das der König selbst ihm auferlegt hatte, sowohl den Zweck meiner Mission wie ihren Ort betreffend. Und endlich hatte sie, rot, verlegen, Tränen am Wimpernsaum, ihn in kaum verhohlenen Worten gefragt, ob ich dort, wo ich weilte, ihr denn die Treue halte. Worauf La Surie in aller Aufrichtigkeit hatte beteuern können, daß dem so sei, denn bei seiner Abreise war ich Teresa noch nicht begegnet.
Monseigneur Du Perron wurde – und ich denke, nicht ohne Absicht – in einem Palast logiert, der zwar nicht neben dem meinen lag, von dem mich jedoch nur die Mauer zwischen seinem und meinem Garten trennte, die eine kleine, bislang verschlossene Tür barg, zu der sich nun plötzlich die Schlüssel einfanden. Alfonso erzählte mir, diese verschwiegene Pforte habe ein Jahrhundert zuvor einem gewissen toskanischen Kardinal erlaubt, seiner Nachbarin, der Marchesa von X, in ihren Andachtsübungen beizustehen, wenn ihr Gemahl auf der Jagd war, welchselbiger niemals unter drei Stunden ausblieb, ein Edelmann mit einem weiten Herzen, dem der Kardinal mehr als einmal die Schulden bezahlte.
Monseigneur Du Perron wohnte dort noch keine Woche, samt zahlreichem und glänzendem Gefolge natürlich, wie es sich für den Gesandten eines großen Königs geziemte, als er mir durch einen geistlichen Boten und ein Billett sagen ließ, wenn ich wolle, möge ich ihn doch an diesem Abend »von Nachbar zu Nachbar« durch die kleine Tür besuchen, zu der wir jeder einen Schlüssel hätten, und wenn es mir genehm wäre, würde er sich bei Gelegenheit desselben Mittels bedienen. Du Perron setzte hinzu, daß er seit dem Tag, da der König ihn zu dieser italienischen Reise bestimmt hatte, »als eine der süßesten Früchte seines Auftrags das Glück betrachte, Gespräch und Austausch mit einem Schöngeist wie mir zu genießen«. Und dabei war er doch einer der brillantesten Geister seiner Zeit!
Ich antwortete ihm unverzüglich mit allem ergebenen Respekt, daß ich ihn, da er es mir freistelle, nicht am selben Abendbesuchen wolle (denn es war Dienstag, und der Leser weiß, mit wem ich an diesem Abend zu soupieren pflegte), sondern am folgenden Tag. Zehn Minuten später kam der kleine Geistliche wieder und sagte, Monseigneur erwarte mich also am Mittwochabend um neun Uhr, und als ich dann wirklich die kleine Tür durchschritt, stand auf der drübigen Seite schon derselbe Geistliche, nahm Thierry die Laterne ab und sagte, ich möge meinen Pagen nur heimschicken. Die kleine Tür wurde zwiefach abgeschlossen, dann führte er mich in Trippelschrittchen durch den Garten und in einen von Kerzen glanzvoll illuminierten Saal, wo ich zu meinem nicht geringen Erstaunen nicht eine, sondern drei Soutanen antraf. Die erste purpurn: Kardinal Giustiniani; die zweite violett: Monseigneur Du Perron; die dritte schwarz: der Herr Abbé d’Ossat.
Während ich einen jeden seinem Rang gemäß begrüßte und geziemend komplimentierte, beschlich mich im stillen ein ironisches Ergötzen, daß diese Leuchten der katholischen Kirche mich in ihrer Mitte zuließen, mich, den Hugenotten, der unter Heinrich III., um seinem armen geliebten Herrn besser dienen zu können, »die Segel gestrichen« hatte und der trotzdem immer wieder verdächtigt wurde, in seinem vom Protestantismus mangelhaft gereinigten Herzen Rückstände der Ketzerei zu bergen. »Ein
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