Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
dich umbringen wollte?« fuhr Fogacer mit blitzenden Augen fort. »Wenn Kardinal Giustiniani es arrangierte, dich dem Papst am selben Tag vorzustellen wie Don Luis, und wenn er dir danach riet, ›den Lebemann zu spielen‹, dann doch wohl, damit Don Luis und du bei der Pasticciera gut Freund würdet.«
»Herr Abbé Fogacer«, sagte ich, lächelnd nur mit halbem Mund, »gibt es etwas, was Ihr über meine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nicht wißt?«
»Was deine Zukunft angeht,
mi fili
«, sagte Fogacer mit seinem langsamen, gewundenen Lächeln, »kann ich dir prophezeien, daß du nicht in Rom von der Hand des Herzogs von Sessa sterben wirst.«
»Was heißt das?«
»Der Bargello hat dem Kardinal-Staatssekretär Cynthio Aldobrandini seinen Bericht erstattet. Daraufhin hat dieser, ohneden Vorfall mit einem Wort zu erwähnen, den Herzog von Sessa vorgeladen und ihn unterrichtet, daß Seine Heiligkeit Giovanni Francesco aus Madrid abberufen habe und daß er in Kürze den Gesandten Heinrichs IV. in Rom erwarte: Monseigneur Du Perron.«
»Das sind ja großartige Nachrichten!« rief ich. »Aber was haben sie mit dem Schutz meiner Person zu tun?«
»Wenn Du Perron nach Rom kommt und die Absolution des Königs von Frankreich aushandelt, dann bedarf es keines geheimen Unterhändlers mehr, und niemand braucht dich mehr zu ermorden.«
»Gelobt sei Aldobrandini!« sagte ich lachend. »Und gelobt auch der ehrwürdige Doktor-Abbé Fogacer ob seines Allwissens, von dem ich, wenn er mir noch ein wenig mehr davon gönnen wollte, zu gern wüßte, warum der Papst Giovanni Francesco von Madrid abberufen hat?«
»Das wiederum«, sagte Fogacer seufzend, »ist meinem Allwissen nicht mit Gewißheit bekannt. Ich vermute aber, d’Ossat hat den Papst überzeugen können, daß Henri Quatre Du Perron so lange nicht nach Rom entsenden wird, wie Giovanni Francesco in Madrid weilt, schließlich will der König nicht, daß seine Absolution in Rom von einem Friedensschacher mit Spanien abhängt oder abzuhängen scheint. Im übrigen,
mi fili
, ist nicht Monsieur de La Surie extra nach Paris gereist, um den König vor solch einem Schacher zu warnen, sobald du von der Reise Giovanni Francescos nach Madrid wußtest?«
»Touché!« sagte ich und hob die Hand. »Fogacer, du setzt mich in Erstaunen! Woher, bei allen Engeln Gottes, hast du das erfahren?«
»Nun«, sagte Fogacer, seine diabolischen Brauen steilend, »ich gehöre eben zwei gleich mächtigen Bruderschaften an, die über die Dinge dieser Welt bestens informiert sind. Der ersten gehöre ich an durch meine Soutane. Der zweiten durch meine Herren Schwestern. Und die zweite, nicht ohne gewisse Verbindungen zur ersten, ist die weitaus genauer informierte, wobei es freilich gilt, die Spreu vom Weizen zu sondern und die wahrscheinliche Wahrheit von hämischem Klatsch.«
»Nun, Fogacer«, sagte ich, »im Namen der wahrscheinlichen Wahrheiten, zu denen dein doppelter Status dir Zugang verschafft: Was prophezeist du für unsere nahe Zunkunft?«
»Daß Giovanni Francesco von Madrid Mitte April zurückkehren wird, Monsieur de La Surie von Paris Ende April; Monseigneur Du Perron aber wird mit aller Gemächlichkeit und allem diplomatischen Pomp nicht vor Ende Mai in Rom erscheinen.«
Fogacer irrte nicht, was Giovanni Francesco und Monsieur de La Surie betraf. Doch irrte er stark hinsichtlich Du Perrons, der in unseren Mauern erst Mitte Juli eintraf. Sein Säumen beunruhigte den Heiligen Vater sehr. Nachdem er den Herzog von Nevers bekanntlich ja herb vor den Kopf gestoßen hatte, erwartete er den neuen Gesandten Heinrichs IV. mit ganz unbändiger Ungeduld, denn nun fürchtete er, daß der König, dem sämtliche französischen Kardinäle und über hundert Bischöfe sich verbündet hatten, es sich an der Absolution der gallikanischen Kirche könnte genug sein lassen, ohne die des Vatikans überhaupt noch zu erstreben, womit ein unheilvolles Schisma eintreten und die einige Christenheit gespalten würde, wie es schon durch die anglikanische Kirche unter Heinrich VIII. von England geschehen war. Kurzum, nachdem der Papst unseren König so lange aus dem Schoß der Kirche hatte ausschließen wollen, bangte er jetzt, selbst aus der Kirche Frankreichs ausgeschlossen zu werden.
Das Wiedersehen mit meinem Miroul war eine große Freude, denn wie sehr hatte mein anderes Ich mir gefehlt, mein immerwährender Gefährte seit nunmehr dreißig Jahren, so tapfer, klug und treu und im täglichen Leben so
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