Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
und sah einen Auflauf wütenden Volks, das lautstark den Herzog beschimpfte, ihn, seine Sippschaft und seine Nation, das Steine gegen die Scheiben warf, die Diener schmähte, die in aller Hast die Fensterläden schlossen, und sogar einen armen Pagen molestierte, der aus dem Palast kam, vielleicht, um Hilfe zu holen. Ganz aufgeregt durch diese Empörung, fragte ich …«
»Ohne aber selbst Steine zu werfen?«
»Höchstens einen oder zwei!« sagte Luc mit unschuldigem Augenaufschlag, »dann besann ich mich, daß ich in Rom ja als Euer Page bekannt bin und es unklug wäre, in dieser Auseinandersetzung Partei zu ergreifen.«
»Späte Besinnung. Weiter.«
»Was denn die Ursache dieser Empörung sei, fragte ich also einen Nachbarn, der aber nicht antworten konnte, so beschäftigt war er, in einem fort zu schreien:
›Fuori il duca!‹
1 , und mit dem Finger auf einen Mann zeigte, der im offenen Garten vor dem Palast an einem Pfahl stand. Ich näherte mich dem Mann und sah, daß er von oben bis unten mit Stricken an den Pfahl gefesselt war, mit gutem Grund, sonst wäre er nämlich umgefallen. Denn er war tot.«
»Tot?«
»Ihm stak ein großes Messer im Herzen, das ich sofort an seinem gelben Griff erkannte: Es war das Messer des …«
»Beim Ochsenhorn! Unser Koch!«
»Derselbe. Und mausetot. Und um den Hals trug er ein schimpfliches Schild:
Basilio,
cuoco,
avvelenatore al soldo
del duca di Sessa
.
« 2
»Sehr treffend, wahrhaftig!«
»Dazu war sein rechter Arm angewinkelt und hielt, kraft welchen Kunststücks weiß ich nicht, in der Hand ein leeres Fläschchen.«
»Das Kunststück«, sagte ich, »ist nichts wie Totenstarre. Man hat ihm das Fläschchen in die Hand gedrückt, als sie noch warm war. Diese Florentiner haben wahrlich einen Sinn fürs Theater. Und«, sagte ich, »um das zu sehen, hast du zwei Stunden gebraucht?«
»Ehrlich gestanden«, sagte Luc, die blonden Locken schüttelnd, »wollte ich sehen, wohin der Volkszorn wohl führen und ob die guten Leute am Ende gar Feuer an den Palast legen würden. Doch dazu blieb keine Zeit mehr, denn der Bargello traf mit seinen Männern ein, nicht zeitig genug, um den Tumult im Keim zu ersticken, aber nicht zu spät, bevor er ausartete.«
»Das hast du fein beobachtet, Sohn. Und was geschah dann?«
»Ich machte mich davon, um die Farben Eures Hauses nicht zu kompromittieren.«
»Gut gemacht«, sagte ich, indem ich am Feuer Platz nahm. »Trotzdem, deine Verspätung war ungehörig, und deine ›zwei, drei Steine‹ ärgern mich.«
»Mit Verlaub, Herr Marquis«, entgegnete Luc, »ich sagte ›ein oder zwei‹.«
»Oder zwei oder drei. Dennoch, mögen es auch drei gewesen sein: Ich hebe mein Urteil auf.«
» Grazie infinite,
Signor Marchese! Darf ich Euch erinnern, daß ich Eurem Wohlwollen eine Bitte unterbreiten wollte?«
»Unterbreite!«
»Als ich vor dem Herzogspalast alles ausspähte, folgte mir auf Schritt und Tritt ein armer Hund.«
»Den du aber nicht angelockt, gestreichelt noch etwa mit Brot aus deinen Hosentaschen gefüttert hast?«
»So könnte man sagen.«
»Und den du adoptieren und ins Haus holen möchtest?«
» Col vostro permesso
1 , Signor Marchese«, sagte Luc mit einigem Beben in der Stimme, und Thierry, der brav und stumm dabeisaß, blickte mich so bange wie erwartungsvoll aus großen Augen an.
»Nun«, sagte ich endlich, »in den Bedientengebäuden gibt es einen kleinen Raum, den die Männer der Eskorte nicht benutzen, obwohl er einen Kamin hat. Vielleicht ist er ihnen zu klein. Dort könnt ihr den Hund einquartieren und ihm sogar Feuer machen.«
Noch während Luc ins Knie fiel, mir zum Dank überglücklich die Hand zu küssen, klopfte es, und Poussevent, der nachsehen ging, meldete mir, der Bargello wolle mich sprechen.
Gefolgt von zweien seiner Leute, trat er herein. Der eine seiner Begleiter schien der Schreiber zu sein, denn er war schwarz gekleidet und hatte Schreibzeug mit, der andere, in bürgerlicher Kleidung, war wohl eine Art Polizeisergeant.
»Signor Marchese«, sagte der Bargello mit schöner Verneigung, doch ohne mich zu umarmen, wie er’s jeden Sonntagabend in Teresas Runde tat, »Ihr wißt sicherlich schon von Eurem hier anwesenden Pagen, daß er an dem Tumult teilgenommen hat, der sich gegen den Palast des Herzogs von Sessa richtete.«
»Er hat daran teilgenommen?« fragte ich mit zornigem Blick auf Luc.
»Kurze Zeit. Er warf drei oder vier Steine gegen die Fenster.«
»Drei oder vier?« fragte ich, die
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