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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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keinen, Monseigneur, keinen!« sagte ich mit süßsaurem Lächeln, »außer mich umbringen zu lassen und Herrn Abbé d’Ossat unfreiwillig als Schirm und Schild zu dienen.«
    »Signor Marchese«, sagte Kardinal Giustiniani mit ernstem Blick aus seinen blauen Augen, »Ihr unterschätzt Eure Rolle. Denn auf die Nachricht hin, daß der Heilige Vater Giovanni Francesco nach Madrid entsandte, schicktet Ihr umgehend Monsieur de La Surie nach Paris, um es dem König zu melden, worauf dieser unverzüglich die Abreise Monseigneur Du Perrons nach Rom aufschob. Dieser Aufschub aber bereitete dem Papst so große Sorgen, daß er Giovanni Francesco aus Madrid zurückrief und von seiner strikten Ablehnung der Absolution nun ein wenig abzurücken beginnt.«
    »Das ist wahr«, sagte schlicht d’Ossat, und er wirkte so zart und zerbrechlich im Vergleich mit der kraftvollen Statur des französischen Prälaten, wie ein kleines schwarzes Insekt neben einer dicken Hummel.
    »Vostra Eminenza«, sagte ich, Kardinal Giustiniani zugewandt, »ich bin überglücklich zu hören, daß die Verhandlungen auf gutem Wege sind, und weiß Monseigneur Du Perronunendlichen Dank, daß ich gleichzeitig mit Euch und Herrn Abbé d’Ossat sein Gast sein darf.«
    Diese Dankesbekundung, die zugleich eine unausgesprochene Bitte um Erklärung war, beantwortete Monseigneur Du Perron mit gewohnter Liebenswürdigkeit.
    »Herr Marquis«, sagte er, »da Ihr an den gefährlichen Punkt geraten wart, in dieser Angelegenheit das Leben zu lassen, schien uns, Ihr solltet auch an den Hoffnungen auf Lösung teilhaben, die jetzt am Horizont aufscheinen. Im übrigen«, fuhr er mit einem Blick auf Giustiniani und d’Ossat fort, »weiß jeder von uns dreien, daß Euer Esprit der Sache sehr hilfreich sein kann, und es wäre uns lieb, wenn er uns über eine Widrigkeit hinweghülfe, mit der wir jetzt konfrontiert sind. Sie entspringt nicht so sehr der Verhandlung selbst – der Papst scheint gegenwärtig die Absolution so entschlossen zu wünschen, wie er sie zur Zeit des Herzogs von Nevers ablehnte – als vielmehr der erbitterten Gegnerschaft des Herzogs von Sessa.«
    Ich war mir durchaus nicht sicher, daß ich zu größerer oder auch nur gleicher Hilfe imstande wäre wie die drei Geistlichen, die mich umgaben und die eine geradezu staunenswerte Summe an Wissen, Finesse und Erfahrung darstellten, selbst im Vatikan, wo immerhin viele ungewöhnliche Geister zusammentrafen. Doch um das Gespräch nicht durch einen Höflichkeitssturm zu belasten, beschränkte ich mich auf eine knappe Erwiderung.
    »Meine Herren«, sagte ich, »ich weiß nicht, ob ich Euch irgend hilfreich und nützlich sein kann, doch werde ich, da es um Seine Majestät geht, alles in meiner Macht Stehende beitragen, damit unser Anliegen vorankommt.«
    »Bene«
, sagte Giustiniani, »und um eine lange Geschichte kurz zu machen, die Gräte in unserem Hals heißt Herzog von Sessa. Zuerst hatte er posaunt, Monseigneur Du Perron werde nimmermehr nach Rom kommen, doch seit unser lieber Freund hier eingetroffen ist, gebärdet sich der Herzog von Sessa in der Ewigen Stadt wie die Hornisse in der Flasche, streut überall Lügen und falsche Nachrichten aus und besucht sämtliche Kardinäle nacheinander, sogar zu nächtlicher Stunde, um sie für seine Sache zu gewinnen.«
    »Zur Nachtzeit sogar!« sagte ich erstaunt.
    »Ja! Sogar zur Nachtzeit sah man ihn von Tür zu Tür undvon Klopfer zu Klopfer eilen, und ohne sich mit einer Auseinandersetzung seiner Gründe aufzuhalten, lockte er die einen mit der Aussicht auf die Tiara, die anderen mit Benefizien für sich oder ihre Neffen – und mit Pensionen für alle.«
    »Pensionen!« sagte ich. »Ist der Faden nicht ein bißchen grob gesponnen?«
    »Leider«, sagte Giustiniani, »je gröber, desto fester … Dem einen«, fuhr er fort, »bietet Sessa tausend Ecus, dem anderen zweitausend, dem dritten dreitausend, und es mangelt nicht an Kardinälen, die sich kaufen lassen, auch unter denen, die sich vorher zugunsten der Absolution ausgesprochen hatten.«
    Ha! dachte ich, wenn mein alter hugenottischer Vater dies hörte, kämen ihm gewiß die Worte von La Boétie in den Sinn, die er oft und gern zitierte: Die katholische Kirche ist unvorstellbar korrumpiert durch endlose Mißbräuche.
    »Kurz«, setzte Giustiniani hinzu, »der Herzog, endlich einer gefügigen Mehrheit unter all den Prälaten sicher, die er aufgesucht hatte, begab sich unverfrorenerweise zum Papst, stellte ihm

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