Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
eben aus reiner Geselligkeit redet, nur ein kleines Funkeln in seinen schwarzen Augen mochte bedeuten, daß er womöglich doch nicht so unbedarft war, wie es den Anschein hatte, und mir wie beiläufig eine überaus kostbare Information, Philipps Bankrott betreffend, mitteilen wollte, die, sollte sie sich bestätigen, doch hieße, daß der Spanier den Krieg gegen meinen König mangels Geldern nicht mehr lange durchhalten konnte.
Doch während Giovanni Francesco so mit mir durch den Saal auf und nieder wandelte (nicht ohne daß Don Luis dann und wann argwöhnische Blicke nach uns warf), begriff ich, als er mit einemmal die Stimme senkte, daß er mir eine Nachricht mitzuteilen hatte, die an Wichtigkeit die vorige vielleicht noch übertraf.
»Eure Idee, Marchese«, fuhr er leise fort, »die Kardinäle einzeln, unterm Siegel der Verschwiegenheit, anzuhören, hat Seine Heiligkeit entzückt. Aller Vorteile dieser Methode bewußt (hierbei lächelte er), rief er gestern die Kardinäle zur allgemeinen Kongregation zusammen – Kongregation, sage ich, und nicht Konsistorium, denn in der Kongregation beraten die Kardinäle weder, noch stimmen sie ab – und setzte ihnen ausführlich seine Haltung hinsichtlich des Fürsten von Béarn seit Beginn seines Pontifikats auseinander, ebenso die Vergeblichkeit seiner Versuche, dessen Aufstieg zu verhindern, da besagter Fürst von Erfolg zu Erfolg schreitet. Des Krieges leid, sei er nun aber entschlossen, den Gesandten dieses Fürsten, der weiterhin seine Absolution wolle, zu empfangen. Sicherlich, fuhr der Heilige Vater seufzend fort, sei dies die größte und dornigste Affäre, die der Heilige Stuhl seit Jahrhunderten zu entscheiden habe. Er bat und beschwor also die Kardinäle, das Ganze wohl zu bedenken, alle Leidenschaften und menschlichen Interessen hintanzustellen, allein auf die Ehre Gottes zu sehen, auf den Erhalt der katholischen Religion und das Wohl der gesamten Christenheit. Es handle sich hier, fuhr der Heilige Vater mit neuerlichem Seufzer fort, nun einmal nicht um einen Privatmann, sondern um einen großen Herrscher, der Armeen und Völker befehlige; es gelte folglich, nicht so sehr seine Person zu betrachten als vielmehr seine Macht. ›Eure Eminenzen‹, schloß der Heilige Vater, ›mögen mir also, ohne Furcht und ohne Gunst, einer nach dem anderen und im Vertrauen sagen, wie sie hierüber denken, ohne besagte Meinung – bei Strafe der Exkommunikation – irgend jemandem sonst mitzuteilen.«
Ich hörte all dies, bebend von Kopf bis Fuß, schien es mir doch, daß wir uns den großen Wirkungen näherten, die mein König sich von dieser seit zwei Jahren so beharrlich erstrebten Absolution erwartete: die Unterwerfung der Liga und die Befriedung Frankreichs. Und der Chevalier de La Surie, dem ich meinen Vers noch am selben Abend daheim in seinem Gemach darbot, geriet in die gleiche tiefe Erregung.
»Ha, mein Pierre!« sagte er, eine Kerze in der Hand, auf seinem Lager sitzend, »das Ziel ist nahe! Uns winkt der Triumph! Und sofern eine spanische Suppe den Heiligen Vater nicht noch kurz vor Schluß dahinrafft, können wir Rom, die Absolution Henri Quatres in der Tasche, verlassen.«
Es hielt ihn nicht auf dem Lager, er sprang auf und wanderte im Schlafrock durch den Raum, indem er seine Brust mit beiden Händen umklammerte, als wollte er sich selbst umarmen.
»Mein Pierre«, setzte er nach einer Weile, auf einmal traurig, hinzu, »nun sieh, wie die Dinge gehen in dieser Welt, die man zu Recht eine niedere nennt, denn der Mensch ist, wie er ist: Da schwört der König ab, und nach jahrelangem Feilschen absolviert ihn der Papst. Weder die Bekehrung noch dieses Feilschen, noch die Absolution haben irgend etwas mit Religion zu tun.«
Auch wenn die Frage der Religion mir nicht so zu Herzen ging wie Miroul – als ich hörte, daß der Papst am 30. August die Kardinäle zum Konsistorium versammelt hatte, um zu erklären, nachdem er einen jeden einzeln vernommen, daß sich »fast alle« über die Absolution des Königs von Frankreich günstig ausgesprochen hätten, konnte ich über dieses »fast alle« nur insgeheim lachen. Zumal, als die den spanischen Dublonen am meisten ergebenen Kardinäle – und das waren nicht wenige – hierauf das Wort zu ergreifen und die Bedingungen der Absolution zu erörtern versuchten, in der Hoffnung, neue Stolpersteine und Verzögerungen zu schaffen. Aber der Papst erwiderte, er habe alles bedacht, und brachte sie damit zum Schweigen.
Die
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