Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
fürchtete, ich könnte mich ein wenig zurückgesetzt fühlen, flüsterte sie mir ins Ohr, daß ich der beste Liebhaber sei, doch das glaubte ich nicht, denn in unseren Nächten bot ich nichts auf, was die üblichen Praktiken der Menschheit überstieg. Vielleicht spendete sie in ihrer naiven Herzlichkeit dasselbe heimliche Kompliment ja jedem der
happy few.
Nach dem Souper begab man sich in einen Saal, wo sich im Sitzen, Stehen oder Wandeln freier miteinander plaudern ließ, Teresa selbst ging von einem zum anderen, immer achtend, daß sie keinen vernachlässigte und keinen privilegierte. An diesem Abend nun näherte ich mich Don Luis.
»Don Luis«, sagte ich leise, »ich gestehe, daß ich es bisheute nicht gewagt habe, Euch auf ein Vorkommnis anzusprechen, bei dem ich, wie ich hörte, ohne Euer Eingreifen mein Leben gelassen hätte.«
»Señor Marqués«, sagte Don Luis ganz undurchdringlichen Gesichts, »da seid Ihr falsch unterrichtet. Die Person, der Ihr Dank schuldet, bin nicht ich, sondern meine Cousine, doch es wäre sehr unvorsichtig, für sie wie für Euch, ihr diesen Dank brieflich oder mündlich zu bekunden.«
»Wie das?« fragte ich erstaunt.
»Doña Clara scheint mit feinem Gehör ein Gespräch belauscht zu haben, das sehr bedrohlich für Euch war, und um sich nicht zu kompromittieren, indem sie an Eure Tür klopfte, lief sie und warnte Teresa. Ich erfuhr erst nachträglich von der Sache.«
»Doña Clara kennt Teresa?«
»Señor Marqués«, sagte Don Luis mit kühlem Lächeln, »Ihr kennt Doña Claras Frömmigkeit, ihren Stolz und die Gefühle, die sie für Euch hegt. Ihr werdet Euch also vorstellen können, wie sehr der Gedanke sie schrecken mußte, einer Frau wie Teresa überhaupt nahe zu kommen. Doch um Euch zu retten, überwand sie ihre Abscheu.«
»Don Luis«, sagte ich bewegt, »mich dünkt, diese Tat rührt ans Erhabene. Würdet Ihr Doña Clara nicht vielleicht sagen können, daß ich ihr dies niemals vergessen werde?«
»Gern, nur nicht gleich«, sagte Don Luis mit ebenso höflichem wie distanziertem Lächeln, »sondern erst, wenn wir heimgekehrt sind nach Spanien, was für mein Gefühl jetzt nicht mehr lange dauern wird.«
Mit diesen Worten verließ er mich, doch hatte er genug gesagt, um mir deutlich zu machen, daß das spanische Lager die Absolution meines Königs nicht länger glaubte verhindern zu können. Außerdem geriet durch diese neue Version der Tatsachen das Allwissen ins Wanken, mit dem Fogacer sich gebrüstet hatte, nach dem ja Don Luis das Instrument meines Heils gewesen sei und die Florentiner mich bei Teresa eingeführt hätten, damit ich sein Freund würde. Ein zwiefacher Irrtum: Der florentinische Rat, den »Lebemann zu spielen«, war gar nicht so weit vorausschauend gewesen, und Doña Clara hatte aus eigenem Antrieb gehandelt, ohne Wissen ihres Cousins. Ha! dachte ich, Fogacer, mein Bruder, mein lieber Freund! Künftigwerde ich deinen Reden nicht mehr so fest vertrauen, ist doch manches offenbar aus der Luft gegriffen.
In solche Gedanken vertieft, sah mich Giovanni Francesco Aldobrandini und nahm mich lächelnd beiseite.
Giovanni Francesco war Diplomat im Pontifikalstaat und der Neffe des Papstes, wobei letzteres das erstere erklärte. Denn in Wahrheit charakterisiere ich ihn am besten, indem ich sage, er war nicht groß und nicht klein, weder dick noch mager, weder häßlich noch schön, weder brillant noch blöde. Und entwaffnete er die Böswilligen durch seine vergoldete Mittelmäßigkeit, gewann er die guten Seelen durch eine Freundlichkeit, die wirklich das einzig Bemerkenswerte an ihm war.
»Marchese«, sagte er, indem er mich unterhakte, »wie ich höre, habe ich der Entsendung Monsieur de La Suries nach Paris meinen Rückruf aus Madrid zu verdanken, und ich gestehe, daß ich Euch großen Dank dafür weiß, denn ich langweilte mich tödlich in besagter Stadt, erst recht aber im Escorial, der halb Kloster, halb Grabmal ist, ein Grabmal von allerdings gewaltigen Dimensionen; Philipp liebt die Maßlosigkeit. Was man übrigens auch an der ›Unbesieglichen Armada‹ gesehen hat, überhaupt an allen Unternehmungen, bei denen er mehr zu schlingen versuchte, als er schlucken konnte. Ebenso wie er mehr ausgibt, als er einnimmt; und soviel Gold seine indischen Galeonen ihm auch herbeischaffen, steht er doch dicht vorm Bankrott … Außerdem leidet er schwer an der Gicht, und er droht am Star zu erblinden.«
Giovanni Francesco äußerte dies alles leichthin, wie man
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