Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Petersplatz widerhallte:
»Silenzio!«
, und es war still.
Aldobrandini überreichte dem Heiligen Vater nun ein Pergament, das unten mit einem roten Band und einem Wachssiegel geziert war. Der Absolutionserlaß, von beiden Parteien in allen Formulierungen sorglich erwogen und gemäß der vatikanischen Diplomatie abgefaßt, wurde von Clemens VIII. auf lateinisch mit fester, aber zu schwacher Stimme verlesen, um über die dritte oder vierte Reihe der Menge hinauszutragen, was sogleich wettgemacht wurde durch des Herolds Stimme und Übersetzung. Und als es zu Anfang des Erlasses hieß, die »angemaßte, Henri von einem französischen Prälaten erteilte Absolution sei null und nichtig«, lief, wie ich mich entsinne, einige Unruhe durch die Purpurreihen der Kardinäle, und spöttische Blicke trafen Monseigneur Du Perron, der vor dem Papst kniete, war doch er jener »französische Prälat«, dessen Henri erteilte Absolution für »null und nichtig« erklärt wurde, so daß man sich fragen durfte, ob Monseigneur Du Perron denn überhaupt Bischof war, weil ja Henri ihm diese Würde verliehen hatte.
Doch schloß Seine Heiligkeit die aufgerissene Wunde sogleich mit heilendem Balsam und erklärte: »Wir wollen jedoch, daß die religiösen, katholischen und unserer Zustimmung würdigen Handlungen, welche zum Zwecke jener Absolution vorgenommen wurden, gleicherwohl gültig seien und bleiben, so als hätten wir Heinrich IV. von Frankreich absolviert.« Auch dieser Satz rief Lächeln auf die Lippen der Kardinäle, denn der Papst schloß die religiösen Handlungen, die der französische Priester vor der Pseudo-Absolution vorgenommen hatte, damit rückwirkend in diese Gültigkeit ein, was ja bedeutete, daß hierzu auch die Erhebung besagten Priesters in den Kardinalsstand zu rechnen war.
D’Ossat und Du Perron, noch immer auf Knien vor dem Papst, sprachen nun im Namen des Königs die Formel der Abschwörung und das katholische Glaubensbekenntnis. Worauf der Papst seinem Neffen und Staatssekretär Aldobrandini den Absolutionserlaß wiedergab und ihn verlesen hieß, welche Bedingungen dem König zur Buße auferlegt wurden, und ich muß sagen, daß mich diese recht milde anmuteten, zumal der Papst sich dabei ganz auf Henris guten Willen verließ. D’Ossat und Du Perron sagten zu allem ja, und ein Schreiber, der ihnen nacheinander eine Feder reichte, legte ihnen besagten Erlaß zur Unterschrift im Namen des Königs vor.
Hierauf stimmte ein Mönchschor, der hinter den Kardinälen stand, das
Miserere
an, und ihre so mächtigen wie harmonischen Stimmen erfüllten den ganzen Platz. Mit Beginn des Gesangs reichte Aldobrandini Seiner Heiligkeit eine Rute, Haselnuß, wenn ich richtig sah, und mit dieser Rute – welche die Geißel ersetzen sollte, mit welcher man reuige Ketzer sonst auf den bloßen Rücken schlug – berührte der Papst während des ganzen
Miserere
zart und leichthändig die Schultern bald d’Ossats, bald Du Perrons. Und wieder lächelten einige Kardinäle, die sich vielleicht erinnerten, daß Du Perron, da er in jungen Jahren selbst dem Protestantismus abgeschworen hatte, diese Rute zum zweitenmal empfing, aber diesmal im Namen eines Königs.
Als das
Miserere
endete, gab der Papst die Rute Aldobrandini, erhob sich, und in einem Schweigen, daß man ein Blatt hätte fallen hören, sprach er mit ernstem Gesicht die Worte der Absolution. Er setzte sich wieder, Trompeten und Trommeln setzten zum triumphierenden Finale ein, und aus dem versammeltenVolk ertönte ein einziger gewaltiger Freudenschrei, dem endlose Bravorufe und Beifall folgten, denn man stelle sich vor, daß nicht nur auf dem riesigen Petersplatz die Menschen dicht gedrängt standen, sondern daß sie auch noch die benachbarten Straßen verstopften. Und nimmermehr wären der Chevalier de La Surie und ich hernach zu unserem Palast gelangt, hätte Kardinal Giustiniani uns nicht freundlicherweise in seiner Karosse mitgenommen. Ich blieb auf der ganzen Heimfahrt stumm, das Herz noch übervoll von der außerordentlichen Bedeutung des Ereignisses, dem wir beigewohnt hatten.
»Nun«, sagte ich daheim zu La Surie, »was meinst du, Miroul? Ist dies nicht ein wunderbarer Tag für Frankreich? Die Liga ist vernichtet, Mayenne und die Großen sind zur Pflicht zurückgekehrt, das Reich ist befriedet …«
»Ja«, sagte nachdenklich der Chevalier, »die unmittelbare Segenswirkung ist groß. Aber vielleicht wäre die Segenswirkung ohne Absolution auf längere Dauer noch
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