Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
modelliert haben müsse, denn er war klein von Wuchs, engbrüstig und krumm, sein Gesicht hager und gefurcht, der Mund zynisch, die Zunge bissig, der Blick flammend. Allerwege schwarz gekleidet, schwieg er in Gesellschaft zumeist, hielt aber die Ohren gespitzt und sandte scharfe Blicke in die Runde. Wenn er einmal nicht mit diesem oder jenem prozessierte, haderte er mit dem eigenen Gewissen, mit welchem er zum Beispiel endlos debattierte, einst, ob er Heinrich III. noch dienen dürfe nach dessen Aussöhnung mit Heinrich IV., oder später dann HeinrichIV., nachdem dieser konvertiert war. Im übrigen war er ein geistvoller Mann und sehr gelehrt, vornehmlich im Ingenieurswesen, und hatte der Belagerungs- und Befestigungskunst viel Zeit und Studien gewidmet.
»Monsieur«, sagte er steif, als er mich endlich zu empfangen geruhte, nachdem ich eine volle Stunde in seinem Vorzimmer hatte warten müssen, »ohne die dringliche Bitte Seiner Majestät hätte ich Euch nicht vorgelassen, denn Euer Vater ist ein verstockter Hugenotte, und Ihr, Ihr seid gleichfalls ein Hugenotte, der nur katholisch getüncht ist.«
»Monseigneur«, sagte ich, mich knapp verneigend, nicht ohne Vehemenz, »auch wenn mein Vater Hugenotte ist, hat er doch Heinrich II. und Karl IX. auf den Schlachtfeldern ungemein tapfer gedient. Nie fand er sich bereit, die Waffen gegen Heinrich III. zu erheben, sooft die Chefs der Reformierten auch dazu aufforderten. Und bevor Heinrich IV. an die Macht kam, stand er dem legitimen Herrscher des Reiches trotz seines hohen Alters mit Armen und Talern großmütig zur Seite. Weshalb Ihr den Baron von Mespech denn zur Kategorie der ›nichtaufstän dischen Hugenotten‹ rechnen könnt, für welche Ihr in Eurem berühmten Bericht von 1572 eine mildere Sanktion vorsaht: nämlich den Einzug eines Sechstels von ihrem Vermögen. Doch, Monseigneur, mein Vater hat Heinrich IV. aus freien Stücken weitaus mehr gegeben, um seinen Kampf gegen die Liga und gegen Spanien zu unterstützen. Und was die anderen vier lebenden Kinder des Barons von Mespech und meiner Mutter Isabella, geborener von Caumont, betrifft, so sind sie heutigentags ebenso wie ich zum Katholizismus bekehrt. Und ich wage mit allem schuldigen Respekt zu sagen, Monseigneur, daß es keinen Grund gibt, an der Aufrichtigkeit dieser Bekehrung mehr als an der des Königs zu zweifeln.«
Der Herzog von Nevers hörte dies mit undurchdringlichem Gesicht an, während er mich mit Blicken durchbohrte. Doch sowie ich endete, schienen sich diese zu besänftigen, und als er zu sprechen anhob, klang seine Stimme nicht mehr ganz so schneidend.
»Monsieur«, sagte er, »Eure Rede ist gewandt und ehrenhaft gleichermaßen, und Ihr appelliert nicht vergeblich an meine Einsicht, bin ich doch stets bestrebt, mein Urteil nach Aufklärung gegebenenfalls zu ändern. Gleichwohl bezeichneteEuch Heinrich III. mir gegenüber als einen Edelmann, der ›die Segel gestrichen‹ habe, um ihm dienen zu können.«
»Mein armer, sehr geliebter Herr«, sagte ich mit einem Lächeln, »beurteilte es so, weil er selbst überaus fromm war, wie Ihr wißt, Monseigneur. Er wallfahrtete, er geißelte sich, er zog sich zur Meditation in Klöster zurück. Ich aber, der ich ein recht lauer Hugenotte war, wie sollte ich, als ich mich bekehrte, ein glühender Katholik werden? Immerhin waren meine Familie und ich von den Priestern grausam verfolgt worden! Und endlich, Monseigneur, da Ihr empfänglich seid für Vernunft, darf ich fragen, ob es vernünftig ist, meinen Glauben so genau erforschen zu wollen, wenn ich in Betracht nehme, daß Ihr bei Eurer kürzlichen Gesandtschaft in Rom den drei Bischöfen, die Euch begleiteten, zu Recht untersagtet, sich der Prüfung des Inquisitionskardinals zu unterziehen, wie es der Heilige Vater gefordert hatte?«
»Das ist doch wohl ein großer Unterschied!« sagte der Herzog von Nevers mit geschwelltem Kamm und Blitze schleudernden Augen. »Drei französische Bischöfe der päpstlichen Inquisition überantworten zu wollen, einzig weil sie zur Bekehrung des Königs Hilfe geleistet haben, das kam einer tödlichen Beleidigung sowohl des Königs von Frankreich wie auch meiner Person, seines Gesandten, gleich.«
»Sicherlich«, sagte ich. »Doch was mich betrifft, der ich nicht so hoch fliege und dessen gegenwärtige Mission keine geistliche ist, so sehe ich nicht, weshalb die Glut meines katholischen Glaubens legitimerweise in Frage gestellt werden müßte.«
»Sie wird es, wenn
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