Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
ligistischen Armee und heiratete – unter dem Namen eines Monsieur de Saint-Paul – eine reiche, schöne und sehr vornehme Witwe. Ihr lächelt, Monsieur?« unterbrach sich der Herzog, indem er mir einen zornigen Blick zuwarf.
»Beliebe Eure Hoheit, sich über dieses Lächeln nicht zu pikieren«, sagte ich, »mir ging nur durch den Sinn, wie viele dieser Ligisten leider Gottes dank unseren Bürgerkriegen aufsteigen konnten wie Schaum auf den Wogen. Ich brauche nur an die ›Sechzehn‹ zu erinnern, die sich während der Belagerung wie die wahren Könige von Paris benahmen.«
»Ach, die!« sagte der Herzog. »Es gibt schlimmere, viel schlimmere! Nach der Exekution des Narbigen zu Blois und der Verhaftung seines Sohnes, des Prinzen von Joinville, wurde ich von Heinrich III. zum Gouverneur der Champagne ernannt, sowohl zum Lohn für meine Treue wie auch, weil mein Herzogtum Rethel an diese Provinz angrenzt. Doch ich konnte mein Gouvernement gar nicht in Besitz nehmen, denn Mayenne und seine spanischen Verbündeten aus dem nahen Flandern hielten Reims und das gesamte Umland besetzt; ich konnte deshalb nicht einmal nach Rethel gelangen, das ich, wie gesagt, meinem Sohn zur Apanage gegeben hatte! Und weil nun der Prinz von Joinville von Heinrich III. und dann von Heinrich IV. gefangengehalten wurde, ernannte Mayenne besagten Widerling Saint-Paul zum Generalleutnant der Champagne und wenig später sogar zum Marschall von Frankreich. Ihr hört ganz recht! Dieser Niemand wurde Marschall von Frankreich, und im Rausch seiner neuen Glorie und seines unerhörten Aufstiegs brachte er die Champagne zum Zittern, riß mehrere Festungen meines Sohnes an sich und usurpierte den Titel Herzog von Rethel.«
»Beim Ochsenhorn!« rief ich, baß erstaunt. »Welch unerhörte Dreistigkeit!«
»Ha, Monsieur!« schrie der kleine Herzog, indem er, beide Hände um die Lehnen geklammert, auf seinem Sitz hin und her hüpfte, »was glaubt Ihr, was dieser Taugenichts in seiner maßlosen Schamlosigkeit noch fertigbrachte! Geschrieben hat er mir! Er hatte die Stirn, mir diesen Brief hier zu schreiben«, setzte er hinzu, indem er ein Blatt aus der Tasche zog, »›Mon sieur ‹ – beachtet, Marquis, daß für diesen Stallknecht ein regierender Herzog nicht einmal ›Monseigneur‹ heißt –, ›Mon sieur ‹ also, ›wenn Ihr wünscht, daß die Euren Rethel in Frieden genießen, so habt Ihr einen Sohn und eine Tochter zu verheiraten und ich ebenso. Verheiraten wir sie mitsammen, und wir können uns einigen.‹ Ihr hört ganz recht! Nicht allein, daß er meinem Sohn mein Herzogtum raubte, dieser Wurm wollte sich auch noch in meine Familie einschleichen!«
»Und was hat Eure Hoheit ihm geantwortet?« fragte ich. »Daß die Gonzaga ein ruhmreiches italienisches Fürstengeschlecht aus uralten Zeiten sind?«
»Oh, nicht doch!« sagte der Herzog, »damit hätte ich demRüpel zuviel Ehre erwiesen! Marquis«, fuhr er mit ernster Miene fort, »ich bin Christ, und ein konsequenter Christ, aber es gibt Situationen, meine ich, wo der Christ in mir hinter dem Herzog zurückstehen muß.«
»Sehr richtig«, sagte ich, indem ich meine Miene nach der seinen richtete.
»Ich antwortete also folgendes«, sagte der Herzog, indem er aufstand (was ich selbstverständlich auch gleich tat): »›Haupt mann ‹ (Ihr könnt Euch wohl denken, daß ich ihn nicht Marschall anredete, der Titel wurde ihm schließlich nicht vom König verliehen), ›Hauptmann, Euer Schreiben stopfe ich Euch in den Rachen, sowie ich Euch in die Hand bekomme. Sodann werde ich meinen Männern befehlen, Euch an der erstbesten Eiche aufzuknüpfen, mit einer pappenen Herzogskrone auf dem Kopf.‹ Aber, leider, Marquis, so viele Hinterhalte ich dem Schuft auch bereitete, er entkam jedesmal. Und jetzt ist er in der Champagne so mächtig, daß sogar der Prinz von Joinville ihn sich nicht gefügig machen kann.«
Als ich Seiner Majestät diese Schilderung am nächsten Tag wiederholte, hörte er mir zu, indem er auf seinen kurzen, muskulösen Beinen unablässig durchs Zelt stapfte (im Sitzen hielt er es keine zwei Minuten aus), und als ich meinen Vers beendet hatte, verharrte er und wandte mir seine lange Nase zu.
»Graubart«, fragte er mit lauerndem Blick, »und wie denkst du jetzt über Saint-Paul?«
»Eines Tages, Sire, wird sich der junge Herzog von Guise Euch unterwerfen, und eines Tages vielleicht sogar Mayenne, aber dieser Hauptmann Saint-Paul nie und nimmer.«
»Warum, Graubart?«
»Weil er
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