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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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von so tief unten gekommen und so hoch gestiegen ist: Marschall von Frankreich, Generalleutnant einer Provinz und beinahe Herzog von Rethel – der weiß genau, daß er nicht einen dieser Titel behalten kann, wenn er mit Euch verhandelt. Deshalb hat er sich zum Spanier gemacht.«
    »Gut räsonniert«, sagte der König. »Und der Herzog von Nevers?« frug er mit kleinem Blitzen in den Augen, »wie kamst du mit dem zurecht?«
    »Anfangs schlecht. Dann gut.«
    »Nevers ist eine Kastanie«, sagte lachend der König. »Außen nichts wie Stacheln. Aber innen zart. Außerdem ist er der einzigeGroße im Reich, der mir vollkommen loyal dient. Ha, diese Großen, Graubart! Je mehr man ihnen zugesteht, desto mehr Scherereien machen sie einem! Der Herzog von Bouillon, der mir so viel verdankt, hetzt die Hugenotten wegen meiner Bekehrung gegen mich auf. Der Herzog von Mercœur versucht, mit spanischer Hilfe die Bretagne von Frankreich abzutrennen, ein Tor, der die Uhr um ein Jahrhundert zurückstellen will. Der Herzog von Epernon ruft meine Feinde zu Hilfe, um sich aus der Provence ein unabhängiges Herzogtum herauszuschneiden. Und der Marschall von Biron …«
    »Was, Sire? Biron?«
    »Ja, ja, Biron!« rief der König. »Biron, Graubart, besteht nur aus Eitelkeit und Prahlerei und führt vor jedem, der es hören will, die ausgefallensten Reden! Fehlt nur noch, daß er behauptet, er hätte mir die Krone aufgesetzt! Und fordert quasi das Gouvernement Laon, sobald ich die gute Stadt genommen habe. Schon redet er davon, wie er sie befestigen will, und droht mir einen Tanz an, sollte ich sie ihm verweigern! Was ich übrigens tun werde: Ich setze doch nicht in eine Flandern so nahe Stadt einen derart anmaßenden Menschen, der imstande wäre, mir beim kleinsten Zwist mit spanischer Hilfe endlose Händel anzurichten … Ha, Graubart! Regieren ist kein Zuckerschlecken, vor allem in diesem Land.«
    »Aber das Volk liebt Euch, Sire.«
    »Ach, das Volk, das Volk«, sagte der König und schüttelte mit bitterer Miene den Kopf. »Gestern hat es dich beschimpft. Heute jubelt es dir zu. Und wirst du morgen geschlagen, feiert es den Sieger. Nein, Graubart, dem Volk kann man nicht trauen, den Großen auch nicht, aber vor allem«, setzte er gedämpft hinzu, indem er sich umblickte, »vor allem nicht den Jesuiten.«
    »Sire«, sagte ich, »es fehlt Euch nicht an guten Dienern, die Euch sehr lieben und sehr treu ergeben sind.«
    »Gewiß, gewiß!« rief Henri, ohne sich darum zu scheren, daß dieses Wort den Hugenotten verriet, »aber das ist persönliche Treue: Nur sehr wenige haben wirklich den Sinn für die großen Interessen des Reiches.«
    »Ich hoffe, Sire«, sagte ich lächelnd und mit einer Verneigung, »Ihr werdet erlauben, daß ich mich eines Tages zu diesen zählen darf.«
    »Das beantworte ich dir, wenn du von Reims zurückkommst!« Und wieder lachend, setzte der König hinzu: »Auf, Graubart, spute dich! Reite mit verhängten Zügeln! Und mühe dich zum Wohl des Reiches!«
     
    Und wie ich mich sputete! Gemeinsam mit meinem Schwager Quéribus und seiner »starken und schönen Eskorte«, deren Befehl er mir überließ. Stark war sie durch ihre Anzahl, vierzig gute Pferde, und schnell. Ich schickte Aufklärer voraus und auch nach beiden Seiten, und als einer mir atemlos meldete, wir hielten geradewegs auf eine große ligistische Schwadron zu, schwenkte ich seitab und umrundete sie, ohne daß der Feind, der uns bald sah, uns einholen konnte und mehr von uns zu schnappen bekam als den Staub unserer Hufe.
    Nach dieser unerquicklichen Begegnung drosselten wir das Tempo und bewegten uns vorsichtiger mit unseren vorzüglichen Tieren, und obwohl der Weg von Laon nach Reims nicht sehr weit war, höchstens eine Tagesreise, schlugen wir uns, sooft wir konnten, seitlich durch Busch und Wald, trabten nur vor Morgen und bei einfallender Dunkelheit, biwakierten über Tag im Freien und machten um Dörfer und Marktflecken einen großen Bogen.
    Als wir dann vor Tau und Tag von einer Anhöhe fern in diesigem Grau die Mauern von Reims erspähten, ließ ich die Eskorte absitzen und die Harnische ablegen, um uns nicht kriegerisch gewappnet vor Reims zu zeigen und von den Wällen beschossen zu werden.
    »Schön und gut, mein Herr Bruder!« sagte Quéribus, »aber wie kommen wir nun rein in die Stadt?«
    »Wie jedermann: Wir bitten am Tor um Einlaß.«
    »Was? Auf die Gefahr hin, daß man uns gleich bei der Ankunft den Garaus macht oder uns wenigstens einsperrt,

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