Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
um Lösegeld zu erpressen?«
»Bei solchen Missionen muß man viel wagen«, sagte ich lächelnd. »Immerhin spricht zweierlei für uns: daß Ihr ein Vetter des jungen Herzogs von Guise seid und daß ich ihm einen Brief seiner Mutter zu überbringen habe.«
»Ersteres«, sagte Quéribus, »wäre nur von Vorteil, wenn Saint-Paul ein Edelmann wäre. Aber ein Typ dieses Schlages achtet doch Blutsbande nicht!«
»Und was das zweite angeht«, sagte Monsieur de La Surie, »so wette ich, daß Saint-Paul uns, das Messer an der Kehle, zwingen wird, ihm den Brief auszuhändigen, daß er ihn liest und dann in Stücke reißt und daß er uns womöglich als Ketzerbrut abmurkst.«
Worauf ich keine Antwort gab, sondern nur die Eskorte drängte, sich schnellstens zu entwaffnen und wieder aufzusitzen, weil ich die Stadt bei Tagesanbruch erreichen wollte. Offen gestanden, ich wäre lieber auf der Anhöhe geblieben, wo ein angenehmes Lüftchen ging und die jungen Pappelblätter bewegte. Während die Harnische auf die Maultiere geladen wurden, ließ ich Brot und Wein austeilen und empfahl den Soldaten, einen Ochsen auf ihre Zunge zu legen, ja die Lunten ihrer Arkebusen nicht zu zünden und sich den Einwohnern der Stadt bescheiden und freundlich zu zeigen, keinesfalls zu zürnen oder zu streiten oder Hand an den Schwertknauf zu legen. Endlich war das letzte Maultier beladen, der letzte Bissen verzehrt, und ich rief zum Aufbruch, allerdings ohne Trompetenschall, und indem ich selbst aufsaß, ritt ich an die Spitze, Quéribus zur Rechten, Monsieur de La Surie zur Linken.
»Miroul«, sagte ich, »du hast, glaube ich, recht: Wir dürfen das Sendschreiben der Herzogin nicht gleich erwähnen, sonst bringen wir uns selbst in die Klemme. Aber wir können, zum Beispiel, von der furchtbaren Geldverlegenheit der Dame sprechen und von der Hilfe, die sie von ihrem Sohn erwartet, was der Prinz von Joinville sicherlich glauben wird – hat er doch selbst, wie der König mir sagte, vierhunderttausend Ecus Schulden.«
»Fünfhunderttausend«, sagte Quéribus. »Die haben Großvater und Vater ihm hinterlassen. Es kam die Guises teuer zu stehen, daß sie Könige von Frankreich werden wollten.«
»Außer dem kleinen Mißgeschick«, sagte Miroul, »daß sie einer nach dem anderen ermordet wurden.«
»Und was den Brief angeht«, fuhr ich fort, »der auch uns ans Messer liefern könnte, so werde ich ihn erst einmal sicher unterbringen.«
Und indem ich die beiden weiter gen Reims ziehen ließ, trabte ich an den Schluß der Kolonne zu Pissebœuf und zog ihn beiseite.
»Pissebœuf«, sagte ich leise auf okzitanisch, »ich habe für den jungen Herzog von Guise einen Brief seiner Mutter beimir. Wenn der Saint-Paul in die Hände fiele, könnte es für uns übel ausgehen. Würdest du ihn an dich nehmen? Die Ligisten werden doch kaum alle vierzig Mann unserer Eskorte durchsuchen.«
»Selbst dann sollen sie ihn nicht finden«, sagte Pissebœuf. »Wo ist das Papier?«
»Warte, bis die Eskorte um die nächste Kehre biegt, damit keiner sieht, wie ich ihn dir gebe. Weißt du, wo du ihn versteckst?«
»Cap de Diou!« sagte Pissebœuf, »ich wär heute arm wie Hiob, wenn ich nicht gelernt hätte, meine kleine Beute nach dem Kampf vor Langfingern zu schützen. Liebe Zeit!« fuhr er fort, als die Biege uns den Blicken entzog und ich ihm den Brief übergab, »mehr ist es nicht? Das ist kein Kunststück. Taler sind schwerer zu verstecken, die haben Gewicht, blinken und klingeln aneinander.«
Hierauf schlossen wir zum Gros der Eskorte auf.
»Mein Herr Bruder«, sagte ich zu Quéribus, »auf ein Wort bitte.«
Worauf Monsieur de La Surie, eifersüchtig und mißmutig, sein Pferd zügelte, bis die Eskorte ihn einholte, und uns beide einen Steinwurf vorausreiten ließ.
»Herr Bruder«, sagte ich, »sehe ich es richtig, daß Ihr mich an Schönheit, Eleganz, Manieren, Kleidern, Fecht- und Kriegskünsten weit übertrefft?«
»Das seht Ihr richtig«, sagte Quéribus, dem es nicht an Humor mangelte. »Aber?«
»Wieso ›aber‹?«
»Mein ›aber‹ wartet auf die Galle nach soviel Honigseim.«
»Nun, besagte Galle ist so bitter nicht. Nämlich: Räumt Ihr ein, daß wiederum ich Euch durch ein gewisses Geschick übertreffe, mit schwierigen Personen umzugehen und sie nach meiner Nase zu lenken?«
»Und wenn ich Euch Umgang und Lenkung zugestehe?«
»Dann bitte ich: Laßt mich Saint-Paul gegenüber die Würfel werfen und die Karten ausgeben, indem Ihr ein Übelsein
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