Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
vortäuscht, das Euch erlaubt, zu schweigen, und mir, das Spiel zu führen.«
»Das heißt, Ihr wiederum haltet mich für einen guten Komödianten?«
»Und ob. Habe ich doch einmal gesehen, wie Ihr fast in Ohnmacht fielt, nur um das Mitleid einer gewissen Dame zu erwecken.«
»Monsieur«, sagte Quéribus lächelnd, »bei rechter Überlegung will ich Euch bei Saint-Paul gern die Vorhand lassen: Ihr lenkt auch mich sehr gut.«
»Ich danke Euch!«
»Kann ich Monsieur de La Surie rufen?« fragte Quéribus. »Er schmollt, und ich möchte ihn einweihen.«
»Macht nur!« sagte ich, worauf er sich im Sattel umwandte und Miroul winkte.
»Monsieur de La Surie«, sagte er, als der an unserer Seite war, »ich habe mit dem Marquis de Siorac vereinbart, daß ich ein Übelsein vortäusche, sobald die Unterredung mit Saint-Paul sich heikel anläßt, und damit ich nicht zu Boden sinken muß, möchte ich, daß Ihr dann in meiner Nähe seid und mich in Euren Armen auffangt.«
»Wird gemacht, Herr Marquis«, sagte Miroul sofort aufgeräumt, denn er begriff, daß ich Quéribus mein Ansinnen ohne Zeugen hatte vortragen wollen.
Mittlerweile waren wir eine halbe Meile vor Reims, alle drei im bloßen Wams, was nun offensichtlich nichts Kriegerisches hatte. Noch war die Sonne nicht aufgegangen, doch zeigte sich schon ein heller Schein im Osten.
»Uns in Saint-Pauls Klauen zu begeben heißt wahrlich, den Wolf bei den Ohren zu packen«, sagte Quéribus.
»Beten wir«, sagte lachend Miroul, »beten wir, daß Guises Hand uns diesen Klauen entreißt!«
Als ein Mann von seltener Unerschrockenheit und bereit, mir aus Anhänglichkeit bis in den Tod zu folgen, war Miroul in diesen Minuten kregel und fidel wie ein Buchfink, Quéribus ruhig, wenn auch etwas blaß. Und was mich betraf, so verspürte ich jenes bizarre Gemisch aus Angst und Überspanntheit, wie es mich stets vor naher Gefahr überkommt: Aber dieses Gefühl macht nun schon so lange den Stoff meines Lebens aus, daß es mir, glaube ich, fehlen würde, wenn es mir einmal abhanden käme.
Unser Nahen blieb den Spähern durch eine Reihe dichter Bäume verborgen, und da ich meinerseits sah, daß wir, wenn wir geradewegs weiterzogen, vor ein Tor mit einem danebenliegenden Turm gerieten, in welchem Saint-Paul seine Spanier logiert haben dürfte, hielt ich es für klüger, einen weiten Umweg zu machen und uns an einem westlicher gelegenen Tor einzustellen, das vielleicht nur von Bürgermilizen bewacht wäre. Und ich tat gut daran, denn obwohl besagtes Tor überwölbt war von Wachräumen und flankiert von Wällen, die sich bei unserem Nahen mit Musketen spickten, legte man nicht auf uns an. So ritt ich denn zu besagtem Tor, wo hinter einer Luke ein behelmtes Gesicht erschien. Ich zügelte mein Pferd und zog meinen Federhut.
»Meine Herren Bürger von Reims, der Herr Marquis von Quéribus gibt sich durch mich die Ehre, Euch um Zutritt zu Eurer Stadt zu bitten, denn er wünscht Monseigneur von Guise zu besuchen, mit welchem er verwandt ist.«
»Monsieur«, sagte der Behelmte, »ich bin nur Sergeant und darf Euch nicht einlassen. Doch beliebt ein wenig zu warten. Ich lasse den Stadtleutnant holen.«
Hiermit zog er seinen Kopf von der Luke zurück, und ich blieb allein, allein mit den Musketen, meine ich, die von den Wällen herab auf mich zielten, die sich aber eine nach der anderen aufrichteten, denn zum Glück wurde ich nun mit Fragen statt mit Pulver bestürmt.
»Monsieur, woher kommt Ihr? Seid Ihr von der Liga? Kommt Ihr von Navarra? Wie steht es in Paris? Wart Ihr in Laon?«
»Ihr Herren von Reims«, sagte ich, indem ich sie abermals mit ausholendem Hutschwenk grüßte, »erlaubt, daß ich warte, bis der Leutnant der Vogtei kommt, um Eure Fragen zu beantworten.«
»Monsieur, wer seid Ihr?« rief eine Stentorstimme.
»Monsieur«, versetzte ich nach einem Schweigen, »ich bin echtbürtiger Franzose, worauf ich in gegenwärtigen Zeiten nicht wenig stolz bin.«
Dieser Satz, den ich nicht ohne Absicht noch Spitze gesagt hatte, wurde mit Lachen und Beifallszeichen aufgenommen, was mich überzeugte, daß Saint-Paul in diesen Mauern nur durch Gewalt und Zwang herrschte.
»Monsieur«, fuhr die Stimme fort, »seid Ihr Edelmann?«
»So ist es, Monsieur.«
»Zu wem gehört Ihr?«
Doch auf diese Frage war meine Antwort vorbereitet.
»Zur Frau Herzogin von Guise, die Gott behüte!«
»Die Gott behüte!« wiederholten einige Stimmen da oben, aber nicht alle.
Ha! dachte ich, sogar die
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