Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Guises sind in ihrem Gouvernement nicht mehr allzu populär! Womöglich war die Frucht reif für meinen Herrn?
»Monsieur!« rief eine andere Stimme, verhaltener als die vorige, »kommt Ihr, uns von Ihr wißt schon wem zu befreien?«
Nach dieser Frage herrschte auf den Wällen Stille, und sie schien mir für unsere Sicherheit sehr gefährlich, ob ich antwortete oder nicht.
»Monsieur«, sagte ich, »woher soll ich wissen, wen Ihr meint?«
Und um ein so heikles Fragespiel abzubrechen, ließ ich meine Stute wenden, die, des langen Stehens leid, so froh war, sich zu tummeln, daß sie mich beinahe abgeworfen hätte, so daß ich sie wieder zur Ordnung rufen mußte, indem ich sie alle Exerzitien durchführen ließ, die ich sie gelehrt hatte, und dieses Schauspiel fesselte die Bürgermilizen, so daß sie stumm blieben, bis ein neues Gesicht an der Luke des Tores erschien.
»Monsieur«, rief die Stimme, »bitte sitzt ab und tretet zur Fußgängerpforte herein, welche wir Euch öffnen, und dann kommt, mir Euer Anliegen zu erklären. Ich bin der Leutnant Rousselet.«
Da hieß es sich fügen, wenn auch widerwillig. Beim Ochsenhorn! dachte ich, dahin hat die Liga nun unser Frankreich gebracht. Reisen, wie man will – daran ist nicht mehr zu denken. Jede Stadt ist jetzt ein eigenes Königreich mit ihrem kleinen König, ihren eigenen Grenzen, ihren eigenen Gesetzen.
Ich ging also durch die Pforte, indem ich meine Pompea am Zügel führte, und drückte dem Stallknecht, der sie mir abnahm, sogleich zwei Sous in die Hand, damit er mir die Ärmste gut abrieb, denn sie war nach den Übungen, die ich ihr auferlegt hatte, in Schweiß gebadet. Und als ein Sergeant mich höflich zur Wachstube geleitete, traf ich endlich den Leutnant. Er schickte seine Leute hinaus, um mit mir allein zu reden; zuerst aber betrachtete er mich eine Weile und ich ihn ebenso; und als ein jeder, schien mir, vom anderen befriedigt war, lächelte er schließlich, und ich lächelte auch.
Der Stadtleutnant ist in Reims, was in Paris der Vogt der Kaufleute ist oder anderswo der Bürgermeister, gewählt jedenfalls von den Einwohnern der Stadt und daher eine große Autorität. Wie ich noch in Laon hörte, war sein Amtsvorgänger, Leutnant Julien Pillois, ein spanisch gesinnter Erzligist gewesen, der jene, die ihn gewählt hatten (und die sich dem König nach dessen Bekehrung hatten unterwerfen wollen), verriet und durch einen Trick Saint-Paul zum Herrn von Reims machte. Weshalb die Bürger 1593, als der Verräter starb, Rousselet wählten, den Saint-Paul, wie ich hörte, mit großem Argwohn sah.
Der gute Rousselet war ein Mann, von dem ich sagen sollte, daß er angenehme Manieren und ein rundes Äußere hatte, lebhafte nußbraune Augen, ein braunes, zur Röte neigendes Gesicht und eine fröhliche Miene, die mir behagte, denn wie Henri Quatre habe ich nicht viel übrig für schwerblütige und griesgrämige Leute, weil ich mir sage, wenn einer sich nicht mal selber liebt, wie soll er dann seinen Nächsten lieben und ihm dienen können? Kurzum, ich fand diesen Rousselet nach meinem Geschmack, und weil mein Instinkt mir riet, seinem guten Gesicht zu trauen, sagte ich meinen Namen und woher ich kam.
»Mein Gott, Herr Leutnant«, setzte ich hinzu, »wie viele Aufhaltungen und Hindernisse, um einen Franzosen in eine französische Stadt einzulassen! Und noch dazu einen Verwandten Eures Gouverneurs!«
»Das kommt, Herr Marquis, weil der Herzog von Guise leider nur Gouverneur dem Namen nach ist, jedenfalls solange er Monsieur de Saint-Paul nicht dazu bringen kann, die zweihundert Spanier abzuziehen, die dieser im Turm am Marstor einquartiert und vier spanischen Hauptleuten unterstellt hat. Diesen Turm zwang Monsieur de Saint-Paul uns für die Spanier zu bauen, und er hat die Absicht, an den anderen vier Toren der Stadt ebenfalls Garnisontürme zu errichten. Was uns, den Bürgern von Reims, große Sorgen macht. Denn gelingt dies Saint-Paul, kann er uns völlig seinem Joch unterwerfen, das schon jetzt kein leichtes ist, und dazu dem Philipps II., das noch schlimmer sein wird. Dann ist es mit den Freiheiten unserer guten Stadt ganz vorbei.«
»Aber der Herzog ist doch wohl nicht allein nach Reims gekommen?« fragte ich.
»Bah!« sagte Rousselet, »er hat höchstens sechzig Mann! Was ist das gegen die zweihundert Arkebusiere am Marstor? Die obendrein Spanier sind, das heißt, die besten Soldaten der Welt!«
»Monsieur Rousselet«, sagte ich, »wenn ich Euch recht
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