Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
tot.
Was nun folgte, war so konfus und geschah so überstürzt, daß ich mir nicht sicher bin, ob andere Zeugen der Szene sie nicht anders schildern könnten. Genau entsinne ich mich indessen, daß Guise so baff war, als Saint-Paul fiel, daß er den Degengriff losließ, so daß sein Degen in dem Toten steckenblieb. Wie er nun wehrlos dastand und Baron de La Tour mit gezückter Waffe auf ihn zustürzte, wäre er seinerseits durchbohrt worden, hätte nicht meine Klinge blitzschnell die des Barons abgewehrt, mit welchem ich sogleich ins Gefecht geriet, während Quéribus, d’Aubeterre und d’Esparbès blankzogen, den Herzog schützend umstellten und Pissebœuf und Poussevent, dem Rest seines Gefolges voran, auf die Schweizer losgingen, welche sie aber, glaube ich, glatt zusammengehauen hätten, wären sie nicht so verdattert gewesen durch den jähen Zusammenstoß zwischen ihrem Herzog und unserem, nachdem sie noch kurz zuvor Seit an Seite die Messe gehört, einander das Weihwasser gereicht und sich auf dem Heimweg untergehakt hatten. Sokam es, daß die Schweizer wie auf dem Rückzug bis zu Saint-Pauls Haus kämpften, in welches sie sich durch die Fußgängerpforte retteten.
Inzwischen glückte es mir, den Degen des Barons so abzuschmettern, daß er zwei Klafter weit flog, und als Miroul lief und den Fuß darauf setzte, kehrte mir jener den Rücken und rannte davon, nicht ohne daß ich ihm zum Spaß einen Piekser in die Hinterbacke versetzte, mehr nicht, ich wollte mir ja nicht noch einen Mord aufs Gewissen laden.
Wir wähnten uns die Herren des Platzes, was ein Irrtum war. Die im Haus von Saint-Paul stationierten Spanier, die von den Schweizern hörten, daß er ermordet war, und ihn rächen wollten, brachen aus besagtem Haus hervor und hätten uns durch ihre Überzahl besiegt, wäre uns in diesem Augenblick nicht Mayennes Gefolge zu Hilfe gekommen und ebenso das Volk, das bei der Nachricht, daß Saint-Paul tot sei, das Haupt erhob, sich im Nu bewaffnete und uns wacker beistand. Mit dem Ergebnis, daß die Spanier in ihr Quartier zurückmußten, die weiße Fahne hißten und baten, sich samt Waffen und Gepäck in den Turm am Marstor retten zu dürfen, was ihnen auf Péricards weisen Rat hin zugestanden wurde. Unsere Männer geleiteten sie dorthin, um sie vor Übergriffen der Bevölkerung zu schützen, deren Eifer nun, da der Tyrann tot war, keine Zügel mehr kannte.
Nach all diesen Aufregungen wieder zu Hause, lud der Herzog von Guise seine Edelleute und uns zum Umtrunk ein und erhielt die unglaublichsten Komplimente, die meinen selbstverständlich auch, so verwundert ich im stillen war, daß das, was einem Edelmann als ein Verbrechen galt – einen Gegner niederzustechen, ehe er ziehen kann –, bei einem Herzog zur Tugend wurde. Die Zungen überschlugen sich im Lobpreis dieser erstaunlichen Tat, und mancher ging so weit zu meinen, der Herzog habe Saint-Paul beinahe zuviel Ehre angetan, indem er ihm seinen fürstlichen Degen in den Leib rammte.
So wenigstens ließ sich Mayenne vernehmen, als er zur Krönung des Ganzen, fett und majestätisch, hinzukam, von den Lakaien spornstreichs mit einem Sessel bedient, welchen sein riesiger Leib voll ausfüllte und wo er saß wie auf einem Thron, sogleich respektvollst von allen edlen Guisarden umringt: ein Weihrauch, der seine mächtigen Nüstern kitzelte, hielt sich der »Generalleutnant« doch für den König von Frankreich.
»Mein sehr geliebter Neffe«, sagte er, sowie er auf dem Sessel Platz genommen, »hat lediglich die Anmaßung und Arroganz Saint-Pauls bestraft. Und was mich betrifft, so bedaure ich nur eins: daß der Kujon von Fürstenhand starb und nicht von Henkershand.«
Weshalb man sich hätte wundern müssen, daß er nichts dafür getan hatte, seinen »sehr geliebten Neffen« von diesem Kujon zu befreien (den er selbst ja zum Marschall von Frankreich ernannt hatte). Was mich anging, so war mir inzwischen klar, daß diese Neutralität ihn in den Augen seiner spanischen Verbündeten reinwusch, die Saint-Pauls Tod sicherlich bitter beklagen würden, zumal Guise jetzt, als der Herr von Reims, die zweihundert kastilischen Arkebusiere aus dem Turm am Marstor unfehlbar nach Flandern zurückschicken würde.
Als der Herzog von Guise sah, daß Quéribus und ich aus Königstreue zu dem Ergebenheitshof um Mayenne ein wenig Abstand wahrten, trat er zu uns, hakte uns mit der liebenswürdigen und ungekünstelten Art seiner Mutter unter und zog uns mit in eine
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